Kanadas neue Regierung steigt wieder in Klimaschutz ein Die Ölprovinz Alberta legte das erste umfassende Konzept zur Verringerung der Emissionen vor.
Fast ein Jahrzehnt lang galt Kanada als Dinosaurier in Sachen Klimaschutz. Das Land stieg aus dem Klimaschutzprotokoll von Kyoto aus, trieb den umweltschädlichen Abbau von Ölsanden schier ungehemmt voran und trat bei internationalen Verhandlungen als Bremser auf. Doch unter dem neuen liberalen Premierminister Justin Trudeau will das Land sein ramponiertes Image nun aufbessern.
Bei einem Treffen mit den Regierungschefs der kanadischen Provinzen, die für die Energiepolitik zuständig sind, sollten die ersten Schritte zu dem im Wahlkampf versprochenen klimapolitischen Neuanfang getan werden. Es war das erste Treffen dieser Art seit sieben Jahren. Star in der Runde ist die Regierungschefin der Erdölprovinz Alberta, Rachel Notley. Die erst im Frühjahr ins Amt gewählte Sozialdemokratin ließ mit einem neuen Klimaschutzplan aufhorchen. Es ist das erste umfassende und langfristig ausgelegte Konzept in Alberta überhaupt.
Für Kanada ist es von entscheidender Bedeutung, denn im Norden Albertas werden die als Klimakiller geltenden Ölsande abgebaut. Ohne eine drastische Reduzierung der dabei entstehenden Emissionen ist jeder Klimaschutzplan nichts wert. Alberta will mit einem Auslaufen der Kohlekraft bis 2030, einer Deckelung der Ölsandemissionen und neuen Umweltabgaben die Treibhausgase drosseln, langfristig jedenfalls. Dazu soll schrittweise eine CO2-Steuer für die gesamte Wirtschaft eingeführt werden, wie sie in anderen Provinzen wie British Columbia bereits gilt.
Auch Konsumenten werden die neue Abgabe zu spüren bekommen, beim Benzinpreis etwa oder bei der Strom- oder Heizungsrechnung. Jörg Michel berichtet für die SN aus Kanada Mit einem Teil der Erlöse will Notley erneuerbare Energien in Alberta fördern, vor allem die Windkraft.
Umweltverbände begrüßten das Paket. Auch Premier Trudeau zeigte sich dankbar. Allerdings wird das Paket Albertas wegen langer Übergangsfristen erst mittelfristig seine volle Wirkung entfalten, denn der Kohlenstoffdeckel für die Ölsandindustrie wird erst in ein paar Jahren erreicht. Laut Berechnungen werden die Emissionen der Provinz daher in gebremster Form weiter ansteigen, bevor sie ab 2030 erstmals sinken.
Überhaupt gleicht die kanadische Klimapolitik eher einem Flickenteppich denn einem Konzept. Einige Provinzen lehnen eine CO2-Abgabe noch immer ab. Einige haben sich einem nordamerikanischen Emissionshandelssystem mit US-Bundesstaaten angeschlossen, andere bleiben außen vor. Trudeau sprach von einem „eigenen kanadischen Weg“, der die höchst unterschiedlichen Interessen der Regionen berücksichtige. Wohl auch deswegen hat sich der Premier bislang auf kein neues gesamtkanadisches Ziel zur Verringerung von Treibhausgasen verpflichtet – und kam daher auch mit leeren Händen nach Paris. Somit bleibt es vorerst bei jenen Zahlen, die Trudeaus konservative Vorgängerregierung in den Raum gestellt hatte. Ex-Premier Stephen Harper wollte die Emissionen zwischen 2005 und 2030 um rund 30 Prozent reduzieren, freilich ohne dieses Ziel mit irgendwelchen konkreten Maßnahmen zu unterlegen. Hier will Trudeau nun ansetzen. Mithilfe der Provinzen möchte er erreichen, dass die alten Ziele tatsächlich in den Bereich des Machbaren rücken. Gelingt ihm dies, wäre das tatsächlich ein Fortschritt.