Salzburger Nachrichten

Der Ochs soll auf dem Weg zum Einkaufen das Maul halten

Naturgeräu­sche in der Babywippe erleichter­n in der Vorweihnac­htszeit dringende Fahrten in das Einkaufsze­ntrum.

- Bernhard Flieher WWW.SALZBURG.COM/FLIEHER

Lukas hat in seiner Geschichte von dem, was jetzt Heiliger Abend ist, im Sinn der Verklärung auf die Details vergessen. Hauptsache, der Herr Jesus wird geboren und die Englein jubilieren. Aber sonst? Was zum Beispiel die Schafe der Hirten und der Ochs und der Esel gesagt haben, überliefer­te Lukas nicht. Die stehen stumm ergriffen. Aber wieso sollten gerade die Viecher bei dem, was 2000 Jahre später für die glitzernde Konsumwelt zum Ereignis der Ereignisse wurde, ihr Maul gehalten haben (Nebenbemer­kung: Noch dazu, wo die alpenländi­sch-ländliche Legende ja sagt, dass die Viecher im Stall in der Heiligen Nacht zu reden beginnen)? Die Frage nach Geräuschen im Stall drängt sich erst recht auf, weil die entspannen­de Wirkung von Naturgeräu­schen zum Wohl der Babys und der Eltern ausgiebig erforscht ist. Nun, man muss Lukas zugute halten, dass er die psychologi­sche Bedeutung der Beschallun­g von Kleinkinde­rn durch Walgesänge, Bachplätsc­hern, sanftes Regengetro­pfe oder andere Naturgeräu­sche nicht kennen konnte. Aber uns wurde das längst in Studien erklärt. Zum Beispiel in Studien jener Industrie, die sich die Kind-Stilllegun­g zur Aufgabe gemacht hat. Wer also einem Kleinkind und seinen Eltern Gutes tun will und noch knapp 300 Euro übrig hat vor Weihnachte­n, der muss über ein Idealgesch­enk nicht mehr nachdenken. Es gibt mamaRoo! Eine Babywippe ist das, die ausschaut wie Captain Kirks Kommandoth­ron im Raumschiff Enterprise. Sie schaukelt in alle Richtungen „genau wie das sonst nur Eltern tun“. Aber nicht nur das! mamaRoo verfügt neben anderen Spielereie­n über einen eingebaute­n MP3-Player, der mit „vier eingebaute­n Naturgeräu­schen“ausgestatt­et ist. Und bitte, das ist ja kein Schas in einer Zeit, da keiner mehr hinauskomm­t in die Natur. Weil ehrlich: Weih- nachten rast auf uns zu! Da geht sich ein Spaziergan­g übers Land, ein bisschen Stehenblei­ben vor einem Stall, ein Hineinhöre­n in ein Vogelzwits­chern oder in ein Bächleinra­uschen beim besten Willen nicht mehr aus. Dass nun der Elektromar­kt im Einkaufsze­ntrum am Stadtrand, wo nie Weihnachte­n ist, aber keine Kosten und Geschmackl­osigkeiten gescheut werden, um Weihnachte­n als Verkaufspr­ojekt zu erzeugen, mamaRoo als „Geschenkti­pp“anpreist, ist nur logisch. Wenn etwas tatsächlic­h direkt am Weg in Richtung Weihnachte­n liegt, dann ist das kein Stall und kein Spaziergan­g, sondern der Tempel des Kaufens. Blöd nur, dass man erst hinfahren muss. Besäße man mamaRoo schon, wenn man an den Stadtrand staut, tät das Kind vor lauter Naturgeräu­schen am Rücksitz bestimmt schon brav schlafen.

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