Muslime ziehen vor den Richter
Betreiber islamischer Kindergärten wehren sich gegen Vorwürfe, die Kinder dort zu radikalisieren. Aber der Druck auf diese Betreuungsstätten wächst weiter.
Die Betreiber von muslimischen Kindergärten in Wien gehen in die Offensive. Sie kündigten rechtliche Schritte gegen den Islamwissenschafter Edna Aslan an, der in einer Forschungsarbeit im Auftrag des Integrationsministeriums darauf hingewiesen hatte, dass in einigen muslimischen Betreuungseinrichtungen Mädchen und Buben radikalisiert würden. In dem Bericht seien strafrechtlich relevante Vorwürfe enthalten, so die Begründung für den Gang zu Gericht. Außerdem seien die Resultate der Studie „nicht konstruktiv in ihrer Kritik“. So werde die Offenheit der Kindergärten für das Forschungsprojekt bemängelt. Dabei seien viele gar nicht angefragt worden, wird versichert. Außerdem kenne man die Fragebögen nicht und könne das Forschungsdesign nicht nachvollziehen.
Versichert wird von den muslimischen Trägervereinen, dass alle in den jeweiligen Gruppen beschäftigten Pädagogen qualifiziert seien. Auch das Bildungsangebot entspreche dem Bildungsplan der Stadt Wien: „Es gibt keinerlei abweichende oder gar geheime Curricula.“Gesprochen werde Deutsch, auch wenn mitunter muttersprachliche Förderung angeboten werde, „weil dies nachweislich dem Erwerb der deutschen Sprache dient“.
„In unseren Kindergärten lernen die Kinder den selbstverständlichen Umgang mit kultureller und sprachlicher, oftmals auch religiöser Vielfalt kennen, sie werden befähigt zu einem Leben in einer pluralistischen Gesellschaft“, beteuern die Betreiber. Unterzeichnet wurde die Aussendung von der „Kindergruppe Karim“, dem Betreiber „Lernen fürs Leben – Kindergarten“, dem integrativen Bildungs- und Informationszentrum IBIZ und der Islamischen Vereinigung in Österreich. Dem Vorstand dieser Gruppierung wird laut Studie übrigens ein Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft nachgesagt.
Anders sieht das Amer Albayati, der Präsident der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ). Die ILMÖ verweist darauf, dass man bereits 2009 „in aller Deutlichkeit“ auf Verbindungen zwischen der Muslimbruderschaft und radikalen Islamisten zu Kindergartenvereinen, Schulen und Moscheevereinen hingewiesen habe: „Passiert ist seither nichts. Die Stadt Wien wurde getäuscht und hat dadurch jahrelang konsequent die Augen vor der Realität verschlossen. Das muss nun ein Ende haben.“
Die ILMÖ fordert eine Offenlegung der Finanzierung der Trägervereine, wesentlich intensivere Kontrollen und ein „klares Bekenntnis“zu modernen pädagogischen Methoden, säkularer Betreuung und zur deutschen Sprache: „Wir bekräftigen alle Studienergebnisse als wahr und richtig. Wir haben Fotos von unter Sechsjährigen, die im Kindergarten allesamt Kopftuch tragen und viele andere Belege. Diesen Kindern wird ihre verspielte Kindheit verstümmelt oder zerstört ihre Chancen in einer freien Gesellschaft.“Radikale Einrichtungen, so wurde verlangt, sollen verboten werden.
Auch der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, hat sich in die Debatte eingeklinkt. Er sprach sich für eine sorgfältig erarbeitete Richtlinie für Kindergärten zum Thema Religion aus. Laut Schönborn sind dabei weniger die Inhalte der Knackpunkt, sondern eine „im Kindergarten erlebbare Haltung der Wertschätzung anderen Überzeugungen gegenüber“. „Auch im Kindergarten dürfen religiöse Trägerschaft und Pluralität kein Widerspruch sein“, befand Schönborn.
Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) stellte klar, dass er nicht für jeden einzelnen Kindergarten die Hand ins Feuer legen möchte – verwies aber gleichzeitig auf Maßnahmen in Sachen Deradikalisierung.
Kritik übte er aber an den Vorwürfen von Außenminister Kurz, der Wien in den vergangenen Tagen wiederholt in die Pflicht genommen hat. „Ich kann nicht nachvollziehen, was die BundesÖVP reitet“, gestand Häupl, der ein „Wien- und SPÖ-Bashing“ortete.