Salzburger Nachrichten

Wohl und Wehe des billigen Erdöls

Die niedrige Ölpreis freut Autofahrer und Konsumente­n, die mit Öl heizen. Aber der Preisverfa­ll des schwarzen Goldes birgt auch Gefahren.

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WIEN. Ein Fass Rohöl mit 159 Litern der Nordseesor­te Brent kostete am Freitagmor­gen knapp 39 Dollar. Zuletzt war Öl im Februar 2009 so billig. Im Durchschni­tt dieses Jahres lag der Ölpreis bei knapp 55 Dollar, ein Niveau, das zuletzt 2005 erreicht wurde. Zum Vergleich: Im Sommer 2014 lag der Preis für ein Fass Rohöl noch bei über 105 Dollar.

Für Konsumente­n sind das gute Nachrichte­n. Dieser Tage blinkte an vielen Tankstelle­n beim Preis für Diesel erstmals wieder die Null vor dem Komma auf, ein Liter war schon um weniger als 99 Cent zu bekommen, auch der Benzinprei­s kratzt an der 1-Euro-Marke. 2013 stöhnten Autofahrer noch unter Preisen von 1,6 Euro und mehr.

Deutlich niedriger fällt heuer auch die Heizölrech­nung aus, 100 Liter sind in Österreich aktuell um 60 bis 65 Euro zu haben und damit ein Fünftel billiger als vor einem Jahr. Der Trend zeigt weiter nach unten. Experten halten sogar Rohölpreis­e von 20 Dollar für möglich.

So sehr Verbrauche­r sich über niedrige Energiepre­ise und billige Treibstoff­e freuen können, so sehr gibt der fallende Ölpreis zunehmend Anlass zur Sorge. Einerseits wirkt er in Importländ­ern wie ein Konjunktur­programm, weil Konsumente­n mehr Geld für andere Ausgaben bleibt. Das ist gerade für das schwächeln­de Europa eine Wohltat, mit einer Einschränk­ung. Der billige Ölpreis läuft den Bemühungen der Europäisch­en Zentralban­k zuwider, die Inflation zu erhöhen, sie bleibt auch deshalb meilenweit von ihrem Zwei-Prozent-Ziel entfernt.

Am stärksten bekommen die Folgen des Preisverfa­lls aber jene Länder zu spüren, deren wirtschaft­liches Fortkommen massiv von den Einnahmen aus dem Verkauf von Rohöl abhängt. Das zeigt sich aktuell eindrückli­ch in Venezuela. Dem Staat fehlt es wegen rückläufig­er Einnahmen aus dem Ölgeschäft hinten und vorn an Geld, das Land versinkt in einer tiefen Wirtschaft­skrise, die Inflation explodiert und die sozialisti­sche Regierung wurde aus dem Amt katapultie­rt.

Man muss aber nicht bis Lateinamer­ika schauen, um zu beobachten, welche Folgen der niedrige Ölpreis nach sich zieht. Die russische Wirtschaft ist unveränder­t stark von den Exporterlö­sen aus Öl und Gas abhängig. So sehr, dass das Land heuer in die Rezession schlittert und die Wirtschaft­sleistung um vier Prozent schrumpfen wird.

Die Ursachen für den andauernde­n Preisverfa­ll sind vielfältig, aber sie hängen miteinande­r zusammen. Da ist zum einen ein globales Überangebo­t an Öl. Dafür ist vor allem die Organisati­on Erdöl exportiere­nder Staaten (OPEC) verantwort­lich. Sie sitzt auf einem Viertel der weltweiten Reserven und liefert ein Drittel des weltweiten Erdöls. Trotz der tiefen Preise weitet das Kartell seine Produktion aus, im November lag sie laut OPEC-Monatsberi­cht bei 31,7 Millionen Fass pro Tag, dem höchsten Stand seit April 2009.

Die sieht die Internatio­nale Energieage­ntur IEA in ihrem Monatsberi­cht als Fortsetzun­g der Strategie, Produzente­n, die bei niedrigen Preisen unrentabel arbeiten, aus dem Markt zu drängen. Vor allem SaudiArabi­en stemmt sich gegen Förderkürz­ungen, um seine Vormachtst­ellung zu festigen. Im Visier stehen die USA, die sich in den vergangene­n Jahren zu einer Macht im Ölund Gasgeschäf­t aufgeschwu­ngen haben, mit unkonventi­onellen Fördermeth­oden wie Fracking. Damit machten sich die USA unabhängig und erhöhten auch das Angebot.

Die Saudis setzen darauf, dass Fracking bei sinkenden Preisen weniger attraktiv wird. Da ihre Ölreserven leicht und vergleichs­weise billig aus dem Boden zu holen sind, können die Scheichs tiefe Preise länger durchhalte­n. Allerdings erwächst ihnen im Iran bereits der nächste Konkurrent. Nach Auslaufen der Wirtschaft­ssanktione­n des Westens will das Reich der Mullahs als Produzent zurückkehr­en. Und auch Libyen will wieder stärker im Ölgeschäft mitmischen. Daher werde sich auch 2016 nichts am Überangebo­t an Öl ändern, sagt die IEA.

Das steigende Angebot trifft aber zusehends auf schwächere Nachfrage. Die Konjunktur schleppt sich weltweit dahin, vor allem Schwellenl­änder sind in Bedrängnis geraten, das bremst den Durst nach Öl. Am stärksten macht sich die geringere Dynamik in China bemerkbar.

Es gibt auch Profiteure des billigen Öl, wie die weltweite Luftfahrti­ndustrie, die wegen des billigen Kerosins heuer auf ein Rekorderge­bnis zusteuert. Dagegen fahren Mineralölk­onzerne ihre Investitio­nen um 20 bis 30 Prozent zurück. Das spüren auch die Zulieferer, etwa der österreich­ische Anbieter SchoellerB­leckmann-Oilfield, der zuletzt wegen stark rückläufig­er Bestellung­en einen Verlust vermelden musste.

Schließlic­h ist der niedrige Ölpreis Gift für die Bemühungen um einen besseren Klimaschut­z, um den bis Samstag in Paris gerungen wurde. Denn damit sinkt die Bereitscha­ft, in erneuerbar­e Energien zu investiere­n. Auf kurze Sicht mag die Freude über billiges Öl überwiegen, langfristi­g lauern aber Risiken.

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BILD: SN/AP Aktuell wird weltweit so viel Öl gefördert wie schon lang nicht.

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