Suche nach dem idealen Schneekristall
Mit welchem Keim erreicht man den natürlichsten Maschinenschnee? Und gibt es in 35 Jahren in unseren Breiten noch schneesichere Skigebiete? Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie in Sachen Beschneiung geforscht wird.
200 Gigawattstunden oder so wie 60.000 Haushalte.
Neben der Absicherung des Skibetriebs stehen Effizienzsteigerung und ein geringerer Energieverbrauch im Mittelpunkt. Damit der Gast beste Bedingungen zum Carven vorfindet, müssen mehrere Faktoren passen. Der technisch erzeugte Schnee – mit den Eispanzern von früher hat das gottlob längst nichts mehr zu tun – muss unten kompakt und oben möglichst locker sein. Dann gilt es, das Weiß möglichst effizient zu verteilen, sodass nicht zu viel in Mulden bleibt oder zu wenig auf Kuppen; hier gibt es GPS-Systeme zur Unterstützung. Die tägliche perfekte Präparierung setzt der Skifahrer ohnehin voraus.
Die Techniker der Beschneiungsfirmen und die Praktiker der Seilbahnbetreiber können auch auf die Unterstützung von Forschern zählen.
viel Vor allem an der Universität Innsbruck laufen derzeit mehrere Projekte rund um die Beschneiung der Zukunft. Die Summen, die dafür zur Verfügung stehen, sind freilich winzig gegen die Investitionen der Seilbahnbranche.
Eine der interessantesten Forschungen dabei widmet sich der Suche nach dem idealen Kern für einen Schneekristall. Damit beschäftigt sich das Team um Thomas Lörting am Institut für Physikalische Chemie der Uni Innsbruck. Denn einfach so entsteht auch in freier Natur keine Schneeflocke, die Frau Holle vom Himmel fallen lässt. Chemiker Lörting (42), ein gebürtiger Innsbrucker, erklärt das Projekt so: „Jeder Schnee friert, weil ein Keim das veranlasst. Die Keime sind mikroskopisch klein. Aber es braucht etwas, woran sich Wassermoleküle festhalten können.“
Anderswo wird hier nachgeholfen. Die Chemikalie Snomax ist in Nordamerika, Skandinavien und der Schweiz zugelassen, in Österreich und Bayern aber nicht. Das künstlich erzeugte Protein besteht laut Lörting aus zerschredderten, gezüchteten Bakterien. Wird es dem Wasser zur Beschneiung zugesetzt, steigt das Volumen des Schnees und es kann bei höheren Temperaturen beschneit werden.
Untersucht wird in Innsbruck zunächst, welcher Keim bei welchen Temperaturen „funktioniert“, um letztlich jene Keime zu identifizieren, die zwischen –4 und –6 Grad Celsius die besten Kristallisationswerte zeigen, denn bei dieser Temperatur gibt es laut Lörting das beste Wachstum. Die Unterschiede seien gewaltig. „Bei minus vier Grad Celsius ist das Wachstum des Schneekristalls 10.000 Mal schneller als bei minus 20 Grad“, sagt Lörting. Entsprechend gibt es Potenzial zum Energie- und Wassersparen.
Für die Versuche – im Labor und im Skigebiet Obergurgl (Ötztal) – gibt es eine große Bandbreite, sie reicht von kleinsten Partikeln aus dem Gletscherschliff bis zu Pollen oder Bestandteilen von Tannennadeln. Bisherige Proben zeigten, dass auch die Herkunft des Wassers die Schneequalität beeinflusst – mit Gletscherwasser kann schon bei –6 Grad Celsius beschneit werden, mit Wasser aus einem Stausee in Obergurgl erst ab –9 Grad. Lörtings Projekt ist auf drei Jahre angelegt, mit 220.000 Euro trägt die Forschungsförderungsgesellschaft die Hälfte der Kosten, auch die Standortagentur Tirol beteiligt sich. Koordiniert wird das Vorhaben von Hinrich Grothe von der TU Wien. Auch die Neuschnee GmbH, entstanden aus Forschungen an der Boku und der TU Wien, ist an dem Vorhaben beteiligt. Das Unternehmen setzt auf einen Ballon, im dem gleichsam die Schneebildung in einer Wolke simuliert wird – mit dem Ziel, möglichst lockeren Schnee zu erzeugen.
Der Tiroler Frank Wille aus Pfunds experimentiert seit Jahren mit Überschallgeschwindigkeit an den Düsen der Schneelanzen. Sein Gerät „Snowy“, getestet in Serfaus, kann auch bei plus drei Grad Celsius noch trockenen Schnee erzeugen.
Simulationen dienen auch den Geografen um Ulrich Strasser (48) an der Uni Innsbruck bei ihren Forschungen als Werkzeug. Das Team befasst sich mit der natürlichen Schneelage in den Alpen. Die Analysen bestätigen, dass seit den 80erJahren eine deutliche Erwärmung eintrat. Daher wird es zwar 2050 noch Wintersport geben, aber die Saisonen werden wohl um zwei bis drei Wochen kürzer, die Probleme in niedrigeren Lagen nehmen zu.
Auf dem Pitztaler Gletscher wird neben herkömmlicher Beschneiung auch der Snowmaker verwendet. Vereinfacht gesagt, wird dabei Wasser durch Vakuum in Schnee verwandelt. Die Technologie wurde in Israel entwickelt und zur Kühlung von Bohrgeräten in südafrikanischen Bergwerken eingesetzt.
„Jeder Schneekristall friert, weil ein Keim das veranlasst.“