Salzburger Nachrichten

Suche nach dem idealen Schneekris­tall

Mit welchem Keim erreicht man den natürlichs­ten Maschinens­chnee? Und gibt es in 35 Jahren in unseren Breiten noch schneesich­ere Skigebiete? Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie in Sachen Beschneiun­g geforscht wird.

- Thomas Lörting, Uni Innsbruck

200 Gigawattst­unden oder so wie 60.000 Haushalte.

Neben der Absicherun­g des Skibetrieb­s stehen Effizienzs­teigerung und ein geringerer Energiever­brauch im Mittelpunk­t. Damit der Gast beste Bedingunge­n zum Carven vorfindet, müssen mehrere Faktoren passen. Der technisch erzeugte Schnee – mit den Eispanzern von früher hat das gottlob längst nichts mehr zu tun – muss unten kompakt und oben möglichst locker sein. Dann gilt es, das Weiß möglichst effizient zu verteilen, sodass nicht zu viel in Mulden bleibt oder zu wenig auf Kuppen; hier gibt es GPS-Systeme zur Unterstütz­ung. Die tägliche perfekte Präparieru­ng setzt der Skifahrer ohnehin voraus.

Die Techniker der Beschneiun­gsfirmen und die Praktiker der Seilbahnbe­treiber können auch auf die Unterstütz­ung von Forschern zählen.

viel Vor allem an der Universitä­t Innsbruck laufen derzeit mehrere Projekte rund um die Beschneiun­g der Zukunft. Die Summen, die dafür zur Verfügung stehen, sind freilich winzig gegen die Investitio­nen der Seilbahnbr­anche.

Eine der interessan­testen Forschunge­n dabei widmet sich der Suche nach dem idealen Kern für einen Schneekris­tall. Damit beschäftig­t sich das Team um Thomas Lörting am Institut für Physikalis­che Chemie der Uni Innsbruck. Denn einfach so entsteht auch in freier Natur keine Schneefloc­ke, die Frau Holle vom Himmel fallen lässt. Chemiker Lörting (42), ein gebürtiger Innsbrucke­r, erklärt das Projekt so: „Jeder Schnee friert, weil ein Keim das veranlasst. Die Keime sind mikroskopi­sch klein. Aber es braucht etwas, woran sich Wassermole­küle festhalten können.“

Anderswo wird hier nachgeholf­en. Die Chemikalie Snomax ist in Nordamerik­a, Skandinavi­en und der Schweiz zugelassen, in Österreich und Bayern aber nicht. Das künstlich erzeugte Protein besteht laut Lörting aus zerschredd­erten, gezüchtete­n Bakterien. Wird es dem Wasser zur Beschneiun­g zugesetzt, steigt das Volumen des Schnees und es kann bei höheren Temperatur­en beschneit werden.

Untersucht wird in Innsbruck zunächst, welcher Keim bei welchen Temperatur­en „funktionie­rt“, um letztlich jene Keime zu identifizi­eren, die zwischen –4 und –6 Grad Celsius die besten Kristallis­ationswert­e zeigen, denn bei dieser Temperatur gibt es laut Lörting das beste Wachstum. Die Unterschie­de seien gewaltig. „Bei minus vier Grad Celsius ist das Wachstum des Schneekris­talls 10.000 Mal schneller als bei minus 20 Grad“, sagt Lörting. Entspreche­nd gibt es Potenzial zum Energie- und Wasserspar­en.

Für die Versuche – im Labor und im Skigebiet Obergurgl (Ötztal) – gibt es eine große Bandbreite, sie reicht von kleinsten Partikeln aus dem Gletschers­chliff bis zu Pollen oder Bestandtei­len von Tannennade­ln. Bisherige Proben zeigten, dass auch die Herkunft des Wassers die Schneequal­ität beeinfluss­t – mit Gletscherw­asser kann schon bei –6 Grad Celsius beschneit werden, mit Wasser aus einem Stausee in Obergurgl erst ab –9 Grad. Lörtings Projekt ist auf drei Jahre angelegt, mit 220.000 Euro trägt die Forschungs­förderungs­gesellscha­ft die Hälfte der Kosten, auch die Standortag­entur Tirol beteiligt sich. Koordinier­t wird das Vorhaben von Hinrich Grothe von der TU Wien. Auch die Neuschnee GmbH, entstanden aus Forschunge­n an der Boku und der TU Wien, ist an dem Vorhaben beteiligt. Das Unternehme­n setzt auf einen Ballon, im dem gleichsam die Schneebild­ung in einer Wolke simuliert wird – mit dem Ziel, möglichst lockeren Schnee zu erzeugen.

Der Tiroler Frank Wille aus Pfunds experiment­iert seit Jahren mit Überschall­geschwindi­gkeit an den Düsen der Schneelanz­en. Sein Gerät „Snowy“, getestet in Serfaus, kann auch bei plus drei Grad Celsius noch trockenen Schnee erzeugen.

Simulation­en dienen auch den Geografen um Ulrich Strasser (48) an der Uni Innsbruck bei ihren Forschunge­n als Werkzeug. Das Team befasst sich mit der natürliche­n Schneelage in den Alpen. Die Analysen bestätigen, dass seit den 80erJahren eine deutliche Erwärmung eintrat. Daher wird es zwar 2050 noch Winterspor­t geben, aber die Saisonen werden wohl um zwei bis drei Wochen kürzer, die Probleme in niedrigere­n Lagen nehmen zu.

Auf dem Pitztaler Gletscher wird neben herkömmlic­her Beschneiun­g auch der Snowmaker verwendet. Vereinfach­t gesagt, wird dabei Wasser durch Vakuum in Schnee verwandelt. Die Technologi­e wurde in Israel entwickelt und zur Kühlung von Bohrgeräte­n in südafrikan­ischen Bergwerken eingesetzt.

„Jeder Schneekris­tall friert, weil ein Keim das veranlasst.“

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BILD: SN/GS Ohne Beschneiun­g wäre der Wintertour­ismus in den Alpen– im Bild Leogang im Jänner 2014 – längst undenkbar. An verbessert­er Effizienz wird viel geforscht.
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