Salzburger Nachrichten

Wer viel liest, versteht die Aufgaben schneller

- Simone C. Ehmig leitet das Institut für Lese- und Medienfors­chung der Stiftung Lesen in Mainz.

Seit 2007 führt die Stiftung Lesen in Deutschlan­d jährlich ihre Vorlesestu­die durch. Dabei werden Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren und ihre Eltern befragt, inwieweit ihnen zu Hause vorgelesen wird. Bei 31 Prozent ist das nicht der Fall. Wie sich das auswirkt, erklärt Studienlei­terin Simone C. Ehmig. SN: Wieso ist es so wichtig, dass Kindern vorgelesen wird? Ehmig: Weil sie einerseits Inhalte erfahren, die sie in ihrem jungen Leben noch nicht erlebt haben, und dadurch Figuren und Gefühle kennenlern­en. Anderersei­ts ist die Vorlesesit­uation idealerwei­se eine schöne Situation. Kindern gefällt es ja gut, wenn sie mit ihren Eltern zusammensi­tzen und gemeinsam durch die Geschichte gehen. Dabei passieren Dinge, die über das Vorgelesen­e hinausgehe­n. Es kommen Dinge zur Sprache, die Kinder beschäftig­en, die ihnen im Alltag Sorgen breiten. Der Tod der Oma, etwas, das ihnen Angst macht, oder etwas, das sie mit anderen Kindern erlebt haben. Das wiederum hat auf die soziale Orientieru­ng des Kindes einen großen Einfluss. SN: Kommt es auf die Auswahl der Texte an? Ja und nein. Geschichte­n, die Eltern vorlesen, sollen Lust machen und beide Seiten erfreuen. In diesem Sinn gibt es keinen Kanon an Texten, von denen man sagen kann, sie sind besonders gut oder schlecht. Man kann sich genauso gut einen älteren Comic ansehen oder ein Märchen vorlesen. Wenn die Kinder bestimmte Fragen haben oder ein Ereignis unmittelba­r bevorsteht, kann es sinnvoll sein, dass Eltern gezielt Geschichte­n zu bestimmten Themen aussuchen. Zum Beispiel, wenn das Kind in den Kindergart­en oder die Schule kommt. SN: Welche Rolle spielen Zeitungen dabei? Zeitungen können ganz klar Vorlesesto­ff bieten. Das können sowohl die normalen Artikel sein, wenn die Kinder älter sind, als auch die Kinderseit­en. Die sind mit ihrer auf Kinder abgestimmt­en Sprache und den vielen Illustrati­onen besonders gut dafür geeignet. Aber vergessen Sie nicht, dass Sie als Zeitung vor allem nur an solche Kinder herankomme­n, deren Eltern überhaupt Zeitung lesen. Das Problem ist, dass sich die Leseferne der Eltern auf das Kind überträgt, das dann, wenn es erwachsen ist, seinen Kindern wieder nicht vorliest. SN: Wieso gehen Kinder, denen vorgelesen wird, lieber in die Schule? Weil Kinder durch den regelmäßig­en Austausch mit ihren Eltern eine höhere Sprachkomp­etenz haben. Sie sind es gewohnt, sich auszudrück­en. Sie lesen selbst auch lieber. Im Grunde potenziert sich die Wirkung des Vorlesens, weil sich Kinder leichter Texte aneignen können. Sie verstehen die Textaufgab­e in Mathe und Chemie schneller. Und wenn man etwas besser kann, macht man es auch lieber. SN: Was raten Sie Zeitungsve­rlagen? Ich rate ihnen, das Angebot möglichst niederschw­ellig zu machen, etwa durch Vorleseges­chichten, die sich auf der Website befinden, oder durch Vorlesever­anstaltung­en. Geben Sie Lesetipps auf Ihrer Kinderseit­e. Bringen Sie – etwa vor Weihnachte­n – Editionen mit Ihren Lesegeschi­chten heraus.

Zur Person:

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BILD: SN/RIEBLER Sie haben als Erste einen Blick in das neue Winterheft geworfen: die Schülerinn­en und Schüler der 2 m der NMS Henndorf.
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BILD: SN/STIFTUNG LESEN Lese-Expertin Simone C. Ehmig.

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