Salzburger Nachrichten

Es war einmal in San Diego

Nicht nur Sonne, Strand und schöne Menschen. Die südkalifor­nische Stadt verfügt darüber hinaus über eine reiche Geschichte.

- STEPHAN BURIANEK

Die „San Salvador“ist fertig. Fünf Jahre hatte die Rekonstruk­tion der legendären Galeone gedauert, nun ist sie als Teil des Maritime Museum öffentlich zugänglich. Unter spanischer Flagge segelte die „San Salvador“im Jahr 1542 in die Bucht von San Diego. Ihr Kommandant Juan Rodríguez Cabrillo war eine Art Selfmade-Millionär und zugleich Finanzier dieser Entdeckung­sreise. Obwohl Cabrillo die Gegend nicht besiedelte und bald die Rückreise ins heutige Mexiko antrat, gilt er als Pionier unter den Entdeckern Nordamerik­as. „An der Ostküste boomt das Kulturerbe, bei uns hingegen die Freizeitpa­rks“, sagt Museumsdir­ektor Raymond Ashley und zuckt mit den Schultern. „Dabei ist unsere Geschichte älter.“

Die Westküste mag von den Europäern früher entdeckt worden sein, eine dauerhafte Besiedelun­g erfolgte freilich erst im Zuge der spanischen Missionier­ung zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts. San Diegos Old Town mit ihren renovierte­n und teils rekonstrui­erten Lehmhäuser­n ist ein feines, aber doch reines Touristens­pektakel, mit Souvenirs und überteuert­em Essen.

Das flanierfre­undliche Gaslamp Quarter wenige Kilometer südöstlich der Old Town wirkt da schon anziehende­r, auch wegen der zahlreiche­n, originelle­n Ausgehloka­le. Seine viktoriani­schen Steinhäuse­r im Wildwestst­il repräsenti­eren die eigentlich­e Gründerzei­t der Stadt, die ab 1869 stark vom Goldrausch profitiert­e. Besonders authentisc­h: die Fassade eines ehemaligen Saloons und Casinos, das vom berühmten Revolverhe­lden Wyatt Earp betrieben wurde.

Lange Zeit ging es in diesem Downtown-Bezirk wenig zimperlich zu. Doch heute ist das frühere zwielichti­ge Vergnügung­sviertel der hier stationier­ten US-Marines eine bunte Ausgehmeil­e. „San Diego ist eine angenehm ruhige Stadt, aber sie ist internatio­naler geworden“, meint der französisc­he Küchenchef Samuel Geffroy, der seinen Arbeitspla­tz kürzlich vom Nobelvoror­t La Jolla in das Gaslamp Quarter verlegt hat. „Das wirkt sich positiv auf die Küche aus, die wird immer besser.“Geffroy möchte nun das Blue Point Coastal Cuisine Restaurant auf Spitzenkla­sse trimmen. Lobster Bisque und Tuna Tartar mit Guacamole zeigen uns: Viertel wie Koch sind auf dem richtigen Weg.

Beeindruck­end auch die überborden­den Fassadenst­ukkaturen im nördlichen Balboa Park: Wie eine mexikanisc­he Kirche aus der Hochblüte spanischen Kolonialba­rocks grüßt der California Tower all jene Besucher, die sich ihm über eine hohe Brücke von der Westseite her nähern. Der Sitz des ethnologis­chen Museum of Man ist das ikonische Aushängesc­hild eines Ensembles, dem ursprüngli­ch lediglich eine kurze Lebensdaue­r beschieden war – und das wegen seiner Schönheit letztlich doch nicht abgerissen wurde.

Es sind Bauten der Zuversicht: Bei Fertigstel­lung des Panamakana­ls im Jahr 1915 wollte San Diegos Stadtregie­rung auf seinen Hafen aufmerksam machen und richtete eine internatio­nale Messe der Superlativ­e aus – die legendäre Panama-California-Exposition mit einem romantisie­renden Blick auf die spanische Kolonialge­schichte der Region. Die üppigen Fassaden haben bis heute architektu­rhistorisc­he Bedeutung für Kalifornie­n, denn sie lösten einen Trend aus, der das Bild des Landes wesentlich geprägt hat. Ohne jene Expo gäbe es heute vielleicht keine „Spanish Revival Architectu­re“. Ein Rundgang durch den Balboa Park, der übrigens größer ist als der Central Park in New York und zudem einen riesigen Zoo beherbergt, ist fast schon eine touristisc­he Pflicht.

Ein Kulturerbe ganz anderer Art ist das Hotel del Coronado. Lang bevor die gleichnami­ge Insel durch eine imposante Autobrücke mit dem Festland verbunden wurde, schrieb das „Del“, wie es von Stammgäste­n liebevoll genannt wird, derart viel Geschichte, dass es seit zwei Jahrzehnte­n eine eigene Historiker­in für dessen Aufarbeitu­ng anstellt. „Das ,Del‘ hat lang von Hollywood gelebt“, erklärt Christine Donovan, die damit gar nicht so sehr jene Werbung meint, die der Film „Manche mögen’s heiß“(Billy Wilder, 1959) dem Hotel geschenkt hat. Nein, selbst in Krisenzeit­en konnte sich das „Del“auf seine prominente Klientel aus Hollywood verlassen, die es bis heute für diskrete Kurzurlaub­e nutzt.

Man muss freilich kein HollywoodS­tar sein, um die weiße Holzkonstr­uktion mit den roten Dachziegel­n und den spitzen Türmen besuchen zu können. Die Zeiten haben sich geändert. Früher fanden sich alle Gäste zu den Mahlzeiten in derselben Halle ein, dazwischen spielte man Billard oder ging zum Hotelfrise­ur. Das gastronomi­sche Angebot ist heute nicht nur größer, es steht außerdem auch Tagesgäste­n zur Verfügung. Billardtis­che sind hingegen keine zu sehen, dafür scheinen am Hotelstran­d die Spinning-Kurse gut besucht zu sein. Keine Frage: Man muss mit dem Zeitgeist gehen, wenn man Historisch­es am Leben halten möchte.

Hotel del

Coronado,

Blue Point Coastal Cuisine Restaurant,

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