Abtenau will endlich seine Heilquellen nutzen
Im 20. Jahrhundert florierte in Abtenau der Kurtourismus, das Heilwasser wurde sogar exportiert. Jetzt soll es touristisch wieder nutzbar gemacht werden.
ABTENAU. Die Rupertusquelle in Abtenau finden nur Eingeweihte. Sie liegt etwa fünf Kilometer außerhalb des Zentrums im Ortsteil Hallseiten. Vom Weg aus ist nur eine kleine, rötlich gefärbte Rinne zu sehen, die das Quellwasser führt. Die Stelle, an der das Heilwasser im Halbdunkel aus dem Fels hervortritt, wird von den Ästen eines großen Nadelbaums verdeckt.
Wer von der Quelle kostet, verzieht das Gesicht: Das Wasser schmeckt sehr salzig und hinterlässt einen metallisch-seifigen Geschmack im Mund. Chemisch gesehen handelt es sich um eine Natrium-Calcium-ChloridSulfat-Mineralquelle. Sie ähnelt in ihrer Zusammensetzung den Quellen in Karlsbad (Tschechien). Das Wasser soll, als Trinkkur angewendet, Erkrankungen des Verdauungsapparats lindern.
Bei der Rupertus- und der gleich daneben gelegenen Annenquelle gab es auch bereits 1871 ein Hotel mit Bädern, das Zwieselbad. Doch die erhoffte Wirtschaftlichkeit blieb aus. Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm Peter Robert Badrutt aus St. Moritz (Schweiz) das Bad und restaurierte es. Er ließ elektrisches Licht sowie eine Zentralheizung einbauen. Ab 1930 wurde das Abtenauer Heilwasser sogar in Flaschen abgefüllt und verkauft.
Doch dann kamen die Weltkriege. „Wie viele andere Bäder im Alpenraum hat auch das in Abtenau die beiden Kriege nicht überlebt“, sagt Arnulf Hartl von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg. Hartl leitet dort klinische Studien zur Immunforschung und untersucht, wie natürliche Heilvorkommen zur regionalen Wertschöpfung beitragen können. Er machte sich mit der Analyse der Krimmler Wasserfälle einen Namen. Sein neues Aufgabengebiet ist das Lammertal: „Wir untersuchen, ob ein Urlaub im Lammertal in Kombination mit dem Abtenauer Heilwasser das Immunsystem stärkt.“
Die Abtenauer haben bereits öfter versucht, ihr Heilwasser wieder touristisch zu nutzen. Pläne gibt es für ein Hotel auf den Feldmanngründen in der Nähe des Zentrums. Bisher fehlen Investoren sowie Projektbetreiber.
Nun will man einen anderen Weg gehen: „Wir wollen das Heilwasser in den Mittelpunkt rücken und bekannt machen“, sagt Bürgermeister Hans Schnitzhofer (ÖVP). Der Hintergedanke: Wo eine bekannte Heilquelle ist, kommen auch Investoren auf den Geschmack. Anfang Dezember hat der Tourismusverband mit
„Wir wollen das Heilwasser bekannter machen.“
großer Mehrheit beschlossen, die Pflichtbeiträge der örtlichen Unternehmen zu erhöhen. In den kommenden drei Jahren zahlen diese das Dreifache des gesetzlich vorgeschriebenen Beitrags. Dasselbe Zugeständnis machten die Betriebe bereits für die Rettung der Bergbahnen. Die Ortstaxe wurde von 1,15 Euro auf 1,60 Euro angehoben. Das ergibt in Summe 350.000 Euro, die für das Wasserprojekt zweckgewidmet werden.
Auch von der EU gibt es eine Förderung, und zwar im Rahmen des Interreg-Projekts Bayern-Österreich. Neben dem Lammertal sind bei der klinischen Studie nämlich auch Bad Reichenhall und die Region Tegernsee mit dabei. „Auch dort gibt es natürliche Heilvorkommen. Bad Reichenhall hat die Sole und Bad Wiessee (am Tegernsee, Anm.) ein Jodschwefelbad“, sagt Arnulf Hartl.
Das Budget beträgt in Summe 1,08 Millionen Euro. Im Februar beginnt die Suche nach Probanden (Altersgruppe 65+) für die klinische Studie. Diese werden eine Woche Aktivurlaub in einer der drei Regionen verbringen. Ein Bad im Abtenauer Heilwasser soll die Beweglichkeit und das Wohlbefinden erhöhen. Die Kontrollgruppe macht einen Busurlaub in der Region, mit wenig Bewegung und viel Essen. Das Programm für beide Gruppen stellt Petra Gsenger vom Tourismusverband Abtenau gemeinsam mit Studienleiterin Johanna Prossegger von der PMU zusammen.
Doch nicht nur die Touristen sollen vom Heilwasser profitieren, auch die Einheimischen sollen wieder öfter damit in Kontakt kommen. Beim Bezirksgericht, in das die Gemeinde nächstes Jahr übersiedelt, soll eine Art Trinkhalle entstehen, in der das Wasser abgefüllt werden kann.