Polen sollen anders werden
Jarosław Kaczyński will staatliches Fernsehen und Rundfunk „zivilisieren“. Die EU-Kommission schickt einen Brief nach Warschau.
Der Umbau Polens schreitet rasant voran. Nach der Entmachtung des Verfassungsgerichts hat die neue nationalkonservative Regierung nun die Medien ins Visier genommen. Die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender werden in sogenannte nationale Kulturinstitute umgewandelt, die stärker der Regierung unterstehen. Zu Silvester stimmte auch der Senat dem Vorhaben der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu, die seit November mit absoluter Mehrheit regiert. Krzysztof Luft, Mitglied des Rundfunkrats, sprach vom „schwärzesten Tag“in der Geschichte der polnischen Medien seit der demokratischen Wende von 1989. Er warnte davor, dass die staatliche Medienpolitik der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen werde. Statt wie bisher der Rundfunkrat entscheidet künftig der Minister für das Staatsvermögen über die Neubesetzung der Vorstands- und Aufsichtsgremien. Journalisten des Fernsehsenders TVP und des Radios sollen kurzerhand durch linientreue PiS-Kader ersetzt werden. Das Mandat der Intendanten läuft mit sofortiger Wirkung aus.
In der Sprache der PiS-Politiker hört sich das anders an: Es gelte, die Situation zu „zivilisieren“oder zu „kultivieren“. Die Sender seien „Horte der ehemaligen Regierungsparteien, Lügenzentralen und Sitz politischer Günstlinge“, wetterte der PiS-Abgeordnete Marek Suski. In einer zweiten Etappe will die PiS die Finanzierung der Sender ändern.
Das Durchpeitschen des Mediengesetzes hat sogar die EU-Kommission aufgeschreckt. Kommissionsvize Frans Timmermans schickte bereits seinen zweiten Warnbrief binnen weniger Wochen an die Weichsel. Ging es im ersten um die Einschränkungen der Tätigkeit des Verfassungsgerichts, zeigte er sich nun besorgt über das Mediengesetz. Freiheit und Meinungsvielfalt der Medien seien entscheidend für eine pluralistische Gesellschaft.
Es war nicht der einzige Weckruf: Die Vereinigung der europäischen Rundfunkanstalten EBU rief die Regierung in Warschau auf, die Integrität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu bewahren. Sie seien „Symbole eines freien und demokratischen Landes“, sagte EBU-Direktorin Ingrid Deltenre. In der Neujahrsansprache von Präsident Andrzej Duda (ebenfalls PiS) und einer Videobotschaft von Ministerpräsidentin Beata Szydło kamen die umstrittenen Änderungen nicht zur Sprache. Der 43jährige Duda forderte die Menschen auf, in immer stärkerem Maße zu einer „Gemeinschaft“zusammenzurücken. Im Dezember waren Zehntausende Menschen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und gegen den Kurs der Regierung auf die Straße gegangen.
Jarosław Kaczyński, PiS-Vorsitzender und Drahtzieher, wies die Kritik zurück. „Wir sind die wahre Stütze Europas“, sagte er im erzkonservativen, katholisch geprägten Sender Radio Maryja. Polen unter der PiS-Regierung verteidige die Demokratie gegen den Einfluss von Unternehmen. Es bewahre die Religionsfreiheit, die in Westeuropa in Gefahr sei. Unerwartet offen rechtfertigte Kaczyński die Entmachtung des Verfassungsgerichts: „Ich bin überzeugt, dass das höchste Gericht der Opposition als Bastion dienen sollte, um unsere Vorhaben für Veränderungen zu zerschlagen“, sagte der 66-Jährige.
Im Windschatten des Mediengesetzes verabschiedete der Senat eine weitere, nicht weniger umstrittene Novelle. Höherrangige Verwaltungsposten werden nicht mehr öffentlich ausgeschrieben, sondern per Ernennung besetzt. Arbeitsverträge des bisherigen Führungspersonals laufen binnen 30 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes aus, wenn sie nicht verlängert werden. Die Opposition warnte vor einer „politischen Säuberung in der Verwaltung“.