Wie Architektur Flüchtlingen entgegenkommt
Das Buch „Refugees Welcome“offeriert Konzepte für menschenwürdige Ankommensarchitektur.
„Wir schaffen das“: Das mittlerweile geflügelte Wort aus dem Mund der deutschen Kanzlerin thematisiert die Integration Tausender Flüchtlinge. Eine Million Flüchtlinge sind mittlerweile in Europa aufgenommen worden. Zahlen wie diese bedeuten freilich auch eine enorme Herausforderung für die Architektur. Nicht selten landen die Schutzsuchenden in überfüllten Notunterkünften an der Peripherie der Städte. Diese räumliche Situation – „Lebenskäfige ohne jegliche Privatheit“– fördert Konflikte.
Im Buch „Refugees Welcome“werden „Konzepte für eine menschenwürdige Architektur“vorgestellt. Nach Angaben des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sind derzeit rund 51 Mill. Menschen auf der Flucht, das entspricht rund sieben Prozent der Weltbevölkerung. Doch wo und wie sollen diese Menschen dauerhaft leben? Eine Reihe von Experten hat Vorschläge für alternative, innovative und prototypische Wohnformen für Geflüchtete erarbeitet. Was konkret für die Stadt Hannover konzipiert wurde, ist modellhaft und kann auch auf andere Städte und Regionen übertragen werden. So wird etwa die Unterbringung von Flüchtlingen in Kleingartenanlagen vorgeschlagen. Für Valentina Forsch liegen die Vorteile auf der Hand: Erholungsmöglichkeiten im eigenen Garten, die Möglichkeit der Selbstversorgung bei gleichzeitiger Nutzung der urbanen Infrastruktur. Der Entwurf geht von einer Bauhütte für vier Personen aus. In Deutschland gibt es derzeit mehr als 1,2 Mill. Kleingärten. Ein Prozent davon soll durchschnittlich vier Flüchtlinge aufnehmen.
Um den „Austausch über den Gartenzaun“zu ermöglichen, wäre freilich eine Gesetzesänderung notwendig. Derzeit sind Gartenhütten nicht zum dauerhaften Bewohnen geeignet. Von einer anderen Wohnmöglichkeit gehen Alina Schilmöller und Franziska Schuhmacher aus: „Wir wohnen im Zug.“Ein alter Güterbahnhof soll in ein neues Zuhause für die Ankommenden umgewandelt werden: „Die Flüchtlinge kommen in ungebauten Waggons unter, die vollkommen freie und modulare Grundrisse für jede Familienkonstellation zulassen“, schreiben Alina Schilmöller und Franziska Schumacher in ihrem Beitrag.
Das Konzept sieht vor, dass auch Einrichtungen wie Kindergärten, Ärzte oder Seminarräume in Zügen Platz finden können. Weiters sollen Grünräume auf Flachwagen inmitten der Wohnwaggons platziert werden, zudem soll der Bereich der ehemaligen Geleise für Gärten genutzt werden. „In beinahe jeder großen Stadt befinden sich leer stehende Bahnhöfe oder brach liegende Geleise“, sagen Schilmöller und Schumacher. Im Projekt „Refugee Station“wiederum wird ein stillgelegter Güterbahnhof in zentraler Lage zu einem neuen Wohnquartier umgenutzt. Dabei werden die ehemaligen Gleisbetten begrünt und mit vorfabrizierten Wohnmodulen auf den einstigen Bahnsteigen ergänzt.
Für ein „Wohn(park)haus“spricht sich hingegen Jan Philipp Drude aus. In perfekter Innenstadtlage will dieses Konzept das Potenzial von Parkhäusern ausnutzen und günstigen Wohnraum schaffen. Aus unbenutzten Parkdecks in oberen Geschoßen entstehen durch den Einbau flexibler Wohnmodule neue Lebensräume. Ein anderer Vorschlag geht davon aus, Wohnraum auf Frachtschwimmkörpern zu entwickeln: „Floating Houses“auf innerstädtischen Wasserflächen. Herausgeber Jörg Friedrich plädiert in seinem Fazit für eine „Architektur der Gemeinsamkeit“: Das Zusammenleben verringere die Angst und fördere die Integration.
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