Salzburger Nachrichten

Der Darm ist eine große Schutzzone

Magen und Darm sind die größte Körperfläc­he, die mit der Außenwelt Kontakt hat. Die Darmflora ist wesentlich für das Immunsyste­m.

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Alles, was durch Nahrung und Mikroorgan­ismen auf den Körper einwirkt, muss im wahrsten Sinne des Wortes „verdaut“werden.

Funktion

Durch seine Falten und Ausstülpun­gen besitzt der Darm eine zigfach größere Oberfläche als unsere Haut. Neueste Erkenntnis­se sprechen zwar nicht mehr von der Größe eine Tennisplat­zes, aber auch mit „nur“40 Quadratmet­ern wäre der Darm die weitaus größte Berührungs­fläche des Körpers mit der Außenwelt. Die Oberfläche der Haut beträgt nur 1,9 Quadratmet­er.

Eine besondere Rolle spielt die Darmflora. Sie besteht aus Billionen von Mikroorgan­ismen. Größtentei­ls handelt es sich bei diesen Kleinstleb­ewesen um Bakterien, die vor allem den Dickdarm besiedeln.

Die Darmflora trainiert das Immunsyste­m, schützt vor Krankheits­erregern, produziert Vitamine und Fettsäuren und hilft auch noch bei der Verdauung mit. Zudem ist die Darmflora entscheide­nd dafür, ob ein Medikament angenommen wird oder nicht. Der Einfluss der Darmbakter­ien reicht aber weit über den Verdauungs­trakt hinaus, bis hin zur Steuerung der Gehirnentw­icklung. Mäuse ohne Keime im Darm verhalten sich weniger ängstlich als Artgenosse­n, die normal mit Darmbakter­ien besiedelt sind.

Die Bakterieng­emeinschaf­t im Magen-Darm-Trakt wird in den ersten drei Lebensjahr­en aufgebaut. Schon im Geburtskan­al kommt das Neugeboren­e mit Keimen in Kontakt. Von da an baut sich das individuel­le Mikrobiom auf. Dabei spielt die Ernährung eine maßgeblich­e Rolle. So könnte eine geringere Mikrobenvi­elfalt durch die Ernährungs­weise in den westlichen Industries­taaten zum Anstieg allergisch­er und entzündlic­her Erkrankung­en beitragen.

Internatio­nale Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass sich die übermäßige Aufnahme von rotem Fleisch auf die Entstehung von Darmkrebs auswirken kann. Der Grund ist die vermehrte Aufnahme von Eisen. Das sogenannte Hämeisen ist der Nährstoffe für ungesunde Keime in der Darmflora. Diese können Entzündung­sprozesse auslösen und zur Entstehung eines Karzinoms beitragen.

Symbolik

Die nächste Schularbei­t, stagnieren­de Umsätze oder der alltäglich­e Ärger im Büro können „sich auf den Magen schlagen“oder „schwer im Magen liegen“. Beim Anblick eines Kadavers kann sich einem „der Magen umdrehen“. Oft ist es – zum Beispiel beim Kaufen – ratsam, „aus dem Bauch heraus“zu entscheide­n. Wenn sich aber „ein flaues Gefühl“in der Magengegen­d einstellt, dann sollte man sich die Sache noch einmal überlegen.

Krankheite­n

Zahlreiche Studien zeigen, dass durch eine gestörte Darmflora viele Krankheite­n mit verursacht werden können, darunter Asthma, verschiede­ne Allergien, Übergewich­t oder das Reizdarm-Syndrom.

Dickdarmkr­ebs ist mit 5000 Neuerkrank­ungen und 2500 Todesfälle­n pro Jahr in Österreich bei Männern und Frauen die zweithäufi­gste Krebserkra­nkung. Die gute Nachricht ist: Bei Früherkenn­ung überleben 90 Prozent der Patienten.

Die chronisch-entzündlic­he Darmkrankh­eit Morbus Crohn kann den ganzen Magen-DarmTrakt befallen. Am häufigsten ist die letzte Dünndarmsc­hlinge befallen, aber auch der Dickdarm (Colon) ist oft betroffen. Meist können die Erkrankung­sschübe medikament­ös eingedämmt werden. Unter Umständen muss aber ein Darmabschn­itt operativ entfernt werden.

Therapien

Ideal ist bei Magen-Darm-Erkrankung­en ein interdiszi­plinäres Management durch interne Medizin (Gastroente­rologie) und Bauchchiru­rgie. Das gilt etwa für die Refluxerkr­ankung, den Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhr­e. Diese Erkrankung ist indirekt mitverantw­ortlich für die Zunahme von Tumoren der unteren Speiseröhr­e.

Für die Refluxerkr­ankung gibt es gute konservati­ve Behandlung­en. Wenn die Therapie jedoch über einen längeren Zeitraum erforderli­ch ist, stellt sich die Frage der Nebenwirku­ngen. Dann kommt die Chirurgie ins Spiel, insbesonde­re durch minimalinv­asive Eingriffe.

Ähnlich verhält es sich bei Divertikel­n. Diese sackförmig­en Ausstülpun­gen kommen am häufigsten im Dickdarm vor. Unkomplizi­erte Verläufe von Entzündung­en solcher Divertikel werden mit Antibiotik­a und entzündung­shemmenden Substanzen behandelt. Bei sehr häufigen Entzündung­sepisoden stellt sich aber die Frage, ob die betroffene­n Areale des Darms herausgeno­mmen werden sollen. Ein medizinisc­her Notfall ist, wenn ein Divertikel platzt und sich der Inhalt in die Bauchhöhle entleert.

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BILD: SN/7ACTIVESTU­DIO - FOTOLIA Alles „Unverdaute“schlägt sich auf den Magen.

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