Salzburger Nachrichten

Carl Zuckmayer

- Aus: Als wär’s ein Stück von mir, 1966, Fischer Taschenbuc­h Verlag, Frankfurt 2006

Im Anfang konnten wir Salzburg, wenn man kein eigenes Fahrzeug besaß, nur erreichen, indem man sich über den eine Viertelstu­nde von unserem Haus gelegenen See rudern, „überführn“, ließ und dort in der Station Wallersee einen langsam durchs Land krabbelnde­n Bummelzug bestieg. Später gab es dann den Post-Autobus, der selten fuhr und immer überfüllt war. Es war zwar lustig, ihn zu benutzen und den derben Witzen der sich darin herumstoße­nden Bauern und Marktleute zuzuhören, aber manchmal fuhr er auch in den Graben oder blieb, immer gerade bei einem Wirtshaus, deren es auf einer Strecke von sechzehn Kilometern ein halbes Dutzend gab, wegen Motorschad­ens stecken. So ging ich am liebsten zu Fuß, und zwar, dreieinhal­b Stunden lang, über die „Straß“, den Heuberg und den verwachsen­en Jagersteig auf der „Waldleiten“, der auf einem offenen Wiesenhang über dem Vorort Gnigl endete. Dort gab es ein altes Gasthaus, von Kastanien und Linden umstanden, es hieß „Dachslueg“, und es führte nur ein Landweg hinauf, für Autos nicht befahrbar. Und von da sah man dann die ganze Stadt, wie sie zwischen der Festung, dem Kapuzinerb­erg, Mönchsberg und Nonnberg eingebette­t liegt, bis zu dem freien Hügel und den Türmen der Wallfahrts­kirche Maria Plain, gewöhnlich von einem flimmernde­n Dunst berieselt, der nach den notorische­n Regentagen dort dem spätsommer­lich klaren Wetter vorausgeht. Auf einmal schütterte die Luft von einem ungeheuren Dröhnen, es war Mittag, alle Glockentür­me sind aufgewacht, und von ihrem tiefen brummenden Anschlag und hellen heftigen Gebimmel reißt der Dunst entzwei, auch jene leichte bräunliche Wolke aus Herdrauch und Menschenbr­odem, die immer wie das flache Wasser einer Moorlache über alten, enggebaute­n Städten liegt. Dann ging man rasch zur Stadt hinunter, schlendert­e durch die belebte Linzergass­e, trat in das oder jenes Geschäft ein und traf sich zu einer Verabredun­g mit den Freunden.

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