Carl Zuckmayer
Im Anfang konnten wir Salzburg, wenn man kein eigenes Fahrzeug besaß, nur erreichen, indem man sich über den eine Viertelstunde von unserem Haus gelegenen See rudern, „überführn“, ließ und dort in der Station Wallersee einen langsam durchs Land krabbelnden Bummelzug bestieg. Später gab es dann den Post-Autobus, der selten fuhr und immer überfüllt war. Es war zwar lustig, ihn zu benutzen und den derben Witzen der sich darin herumstoßenden Bauern und Marktleute zuzuhören, aber manchmal fuhr er auch in den Graben oder blieb, immer gerade bei einem Wirtshaus, deren es auf einer Strecke von sechzehn Kilometern ein halbes Dutzend gab, wegen Motorschadens stecken. So ging ich am liebsten zu Fuß, und zwar, dreieinhalb Stunden lang, über die „Straß“, den Heuberg und den verwachsenen Jagersteig auf der „Waldleiten“, der auf einem offenen Wiesenhang über dem Vorort Gnigl endete. Dort gab es ein altes Gasthaus, von Kastanien und Linden umstanden, es hieß „Dachslueg“, und es führte nur ein Landweg hinauf, für Autos nicht befahrbar. Und von da sah man dann die ganze Stadt, wie sie zwischen der Festung, dem Kapuzinerberg, Mönchsberg und Nonnberg eingebettet liegt, bis zu dem freien Hügel und den Türmen der Wallfahrtskirche Maria Plain, gewöhnlich von einem flimmernden Dunst berieselt, der nach den notorischen Regentagen dort dem spätsommerlich klaren Wetter vorausgeht. Auf einmal schütterte die Luft von einem ungeheuren Dröhnen, es war Mittag, alle Glockentürme sind aufgewacht, und von ihrem tiefen brummenden Anschlag und hellen heftigen Gebimmel reißt der Dunst entzwei, auch jene leichte bräunliche Wolke aus Herdrauch und Menschenbrodem, die immer wie das flache Wasser einer Moorlache über alten, enggebauten Städten liegt. Dann ging man rasch zur Stadt hinunter, schlenderte durch die belebte Linzergasse, trat in das oder jenes Geschäft ein und traf sich zu einer Verabredung mit den Freunden.