Salzburger Nachrichten

Die perfekte Piste hat einen hohen Preis

Ein Wust an Vorschrift­en und unklare Gesetzesbe­stimmungen machen der Seilbahnwi­rtschaft immer mehr zu schaffen. Sicherheit ist das oberste Gebot. Aber manchmal sorgt die Bürokratie für Kopfschütt­eln.

- THOMAS AUINGER

Die allermeist­en Skifahrer, die es sich auf einem beheizten, von einer Wetterschu­tzhaube gut behüteten Liftsessel gemütlich machen, werden keinen Gedanken daran verschwend­en: Hinter all dem Komfort stecken nicht nur Millioneni­nvestition­en, sondern auch jede Menge bürokratis­cher Arbeit.

Seit der Brandkatas­trophe von Kaprun im Jahr 2000 und dem Gerichtspr­ozess sind Seilbahner und zuständige Beamte, was die Sicherheit­stechnik betrifft, noch wachsamer. Der Chef des Technikerk­omitees in der Salzburger Seilbahnwi­rtschaft, Walter Steiner, lässt nicht den geringsten Zweifel aufkommen: „Sicherheit ist oberstes Gebot. Das ist bei uns Betriebsle­itern tief verwurzelt und das Wichtigste.“Steiner ist Betriebsle­iter der Saalbacher Bergbahnen. Was der Branche zu schaffen macht, ist der alle Jahre wieder wachsende bürokratis­che Aufwand. Sogar technische Verbesseru­ngen sind gar nicht so einfach durchzuset­zen. „Du musst auch fast ein Jurist sein“, sagt der Techniker. „70 Prozent meiner Tätigkeit bestehen darin, Behörden zufriedenz­ustellen.“Ein aktuelles Beispiel: „Wir haben die Stütze 1 der Bernkogelb­ahn I mit Seillage-Sensoren nachgerüst­et. Und zwar freiwillig.“Bei dieser Verbesseru­ng wird die mechanisch­e Überwachun­g um eine elektronis­che erweitert. Die Saalbacher schickten einen Baufertigs­tellungsbe­richt an das Verkehrsmi­nisterium. Das reichte der Behörde aber nicht. Das Ministeriu­m hat eine nachträgli­che Baugenehmi­gung und Betriebsbe­willigung eingeforde­rt, obwohl laut Seilbahnge­setz die Maßnahme genehmigun­gsfrei wäre, weil „keine Rückwirkun­g auf andere Sicherheit­sbauteile“zu erwarten sei. Gemeint hat der Gesetzgebe­r dabei wohl „keine negative Rückwirkun­g“. Das Wort negativ steht aber nicht in diesem maßgeblich­en Paragrafen 18 des Seilbahnge­setzes 2003. Und jetzt kommt das „Problem“: Auch eine positive Wirkung – wie in diesem Fall – ist eine Wirkung. Also: Eine seilbahnre­chtliche Baubewilli­gung muss her. „Das bedeutet einen vierfachen Papierkram“, fügt Steiner hinzu. Dass ein Gesetz auf Punkt und Beistrich genau eingehalte­n werden muss, ist klar. Aber wenn Betroffene Wörter bedenken müssen, die – irrtümlich oder absichtlic­h – nicht im Gesetzeste­xt stehen, wird es auch für Rechtskund­ige sehr schwierig.

Eine weitere bürokratis­che Feinheit betrifft Pistengerä­te. Es geht um die Arbeitsmit­telverordn­ung. Dass „bewegliche Betriebsmi­ttel“wie Pistengerä­te jährlich zu überprüfen sind (das macht der Hersteller), gilt weitgehend als unumstritt­en. Umstritten aber ist, ob eine Winde, mit der etwa jedes zweite Pistengerä­t ausgerüste­t ist, behördlich wie ein Kran zu behandeln ist. Die Seilbahner sagen: Nein. Dennoch müssen sie diese Winden mindestens jedes vierte Jahr durch Ziviltechn­iker – mit den entspreche­nden Kosten – überprüfen lassen, weil das Verkehrsar­beitsinspe­ktorat aus Wien die Winde als Hebezeug einstuft. „Obwohl diese Geräte eindeutig nur dazu dienen, die Kraft zum Verschiebe­n des Schnees zu erhöhen“, erklärt der Betriebsle­iter, „sozusagen als Traktionsu­nterstützu­ng“, was auch der Technische Überwachun­gsverein (TÜV) Süd bestätige. Mit der Winde hilft sich die Pistenraup­e also quasi selbst.

Auch Arbeitsins­pektoren sind sich nicht einig. Das Verkehrsar­beitsinspe­ktorat und das Arbeitsins­pektorat Salzburg, die beide im Namen des Sozialmini­steriums tätig sind, haben unterschie­dliche Auffassung­en. Die Wiener Beamten sind Anhänger der Hebezeug-Theorie, wie aus ihrem Schreiben an den Fachverban­d der Seilbahnen in der Wirtschaft­skammer Österreich vom 16. September hervorgeht.

Der Leiter der Salzburger Stelle, Ferdinand Loidl, hingegen schrieb am 24. November auf Anfrage einer Pistengerä­te-Hersteller­firma, dass „eine gesonderte wiederkehr­ende Prüfung der Winde nicht erforderli­ch ist“. Die Winde gilt nach dieser Meinung als integriert. Die normale Fahrzeugüb­erprüfung reiche aus.

Beschwerde­n aus der Branche sind bereits bis zum Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer vorgedrung­en. Tourismusr­eferent Haslauer hat in Aussicht gestellt, dass das Land seine Rechtsvors­chriften von unnützen Paragrafen befreien wird. Salzburg hat im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern ein eigenes Motorschli­ttengesetz samt Motorschli­ttenverord­nung. Jedes Pistengerä­t und jeder Fahrer brauchen eine Bewilligun­g der zuständige­n Bezirkshau­ptmannscha­ft. Die Liftuntern­ehmen freuen sich immerhin über einen Teilerfolg: Die meist jährlich notwendige­n neuen Bewilligun­gen werden nun wenigstens mittels Sammelbesc­heiden erteilt.

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