Die perfekte Piste hat einen hohen Preis
Ein Wust an Vorschriften und unklare Gesetzesbestimmungen machen der Seilbahnwirtschaft immer mehr zu schaffen. Sicherheit ist das oberste Gebot. Aber manchmal sorgt die Bürokratie für Kopfschütteln.
Die allermeisten Skifahrer, die es sich auf einem beheizten, von einer Wetterschutzhaube gut behüteten Liftsessel gemütlich machen, werden keinen Gedanken daran verschwenden: Hinter all dem Komfort stecken nicht nur Millioneninvestitionen, sondern auch jede Menge bürokratischer Arbeit.
Seit der Brandkatastrophe von Kaprun im Jahr 2000 und dem Gerichtsprozess sind Seilbahner und zuständige Beamte, was die Sicherheitstechnik betrifft, noch wachsamer. Der Chef des Technikerkomitees in der Salzburger Seilbahnwirtschaft, Walter Steiner, lässt nicht den geringsten Zweifel aufkommen: „Sicherheit ist oberstes Gebot. Das ist bei uns Betriebsleitern tief verwurzelt und das Wichtigste.“Steiner ist Betriebsleiter der Saalbacher Bergbahnen. Was der Branche zu schaffen macht, ist der alle Jahre wieder wachsende bürokratische Aufwand. Sogar technische Verbesserungen sind gar nicht so einfach durchzusetzen. „Du musst auch fast ein Jurist sein“, sagt der Techniker. „70 Prozent meiner Tätigkeit bestehen darin, Behörden zufriedenzustellen.“Ein aktuelles Beispiel: „Wir haben die Stütze 1 der Bernkogelbahn I mit Seillage-Sensoren nachgerüstet. Und zwar freiwillig.“Bei dieser Verbesserung wird die mechanische Überwachung um eine elektronische erweitert. Die Saalbacher schickten einen Baufertigstellungsbericht an das Verkehrsministerium. Das reichte der Behörde aber nicht. Das Ministerium hat eine nachträgliche Baugenehmigung und Betriebsbewilligung eingefordert, obwohl laut Seilbahngesetz die Maßnahme genehmigungsfrei wäre, weil „keine Rückwirkung auf andere Sicherheitsbauteile“zu erwarten sei. Gemeint hat der Gesetzgeber dabei wohl „keine negative Rückwirkung“. Das Wort negativ steht aber nicht in diesem maßgeblichen Paragrafen 18 des Seilbahngesetzes 2003. Und jetzt kommt das „Problem“: Auch eine positive Wirkung – wie in diesem Fall – ist eine Wirkung. Also: Eine seilbahnrechtliche Baubewilligung muss her. „Das bedeutet einen vierfachen Papierkram“, fügt Steiner hinzu. Dass ein Gesetz auf Punkt und Beistrich genau eingehalten werden muss, ist klar. Aber wenn Betroffene Wörter bedenken müssen, die – irrtümlich oder absichtlich – nicht im Gesetzestext stehen, wird es auch für Rechtskundige sehr schwierig.
Eine weitere bürokratische Feinheit betrifft Pistengeräte. Es geht um die Arbeitsmittelverordnung. Dass „bewegliche Betriebsmittel“wie Pistengeräte jährlich zu überprüfen sind (das macht der Hersteller), gilt weitgehend als unumstritten. Umstritten aber ist, ob eine Winde, mit der etwa jedes zweite Pistengerät ausgerüstet ist, behördlich wie ein Kran zu behandeln ist. Die Seilbahner sagen: Nein. Dennoch müssen sie diese Winden mindestens jedes vierte Jahr durch Ziviltechniker – mit den entsprechenden Kosten – überprüfen lassen, weil das Verkehrsarbeitsinspektorat aus Wien die Winde als Hebezeug einstuft. „Obwohl diese Geräte eindeutig nur dazu dienen, die Kraft zum Verschieben des Schnees zu erhöhen“, erklärt der Betriebsleiter, „sozusagen als Traktionsunterstützung“, was auch der Technische Überwachungsverein (TÜV) Süd bestätige. Mit der Winde hilft sich die Pistenraupe also quasi selbst.
Auch Arbeitsinspektoren sind sich nicht einig. Das Verkehrsarbeitsinspektorat und das Arbeitsinspektorat Salzburg, die beide im Namen des Sozialministeriums tätig sind, haben unterschiedliche Auffassungen. Die Wiener Beamten sind Anhänger der Hebezeug-Theorie, wie aus ihrem Schreiben an den Fachverband der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich vom 16. September hervorgeht.
Der Leiter der Salzburger Stelle, Ferdinand Loidl, hingegen schrieb am 24. November auf Anfrage einer Pistengeräte-Herstellerfirma, dass „eine gesonderte wiederkehrende Prüfung der Winde nicht erforderlich ist“. Die Winde gilt nach dieser Meinung als integriert. Die normale Fahrzeugüberprüfung reiche aus.
Beschwerden aus der Branche sind bereits bis zum Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer vorgedrungen. Tourismusreferent Haslauer hat in Aussicht gestellt, dass das Land seine Rechtsvorschriften von unnützen Paragrafen befreien wird. Salzburg hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern ein eigenes Motorschlittengesetz samt Motorschlittenverordnung. Jedes Pistengerät und jeder Fahrer brauchen eine Bewilligung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. Die Liftunternehmen freuen sich immerhin über einen Teilerfolg: Die meist jährlich notwendigen neuen Bewilligungen werden nun wenigstens mittels Sammelbescheiden erteilt.