Eine standhafte Frau will mit der Schande nicht leben
Die Kunstuniversität Mozarteum zeigt wieder eine starke Opernproduktion: „The Rape of Lucretia“von Benjamin Britten.
Die erste Kammeroper, die Benjamin Britten 1946 für Glyndebourne schuf, war eine starke Ansage. Der Komponist benötigt für die Geschichte von der Schändung der Lukrezia („The Rape of Lucretia“) nur dreizehn Instrumentalisten, erzielt aber damit volle, intensive Opernwirkung. Das allein zeigt schon die handwerkliche Meisterschaft, aber auch der zweiaktige dramaturgische Aufbau beweist, wie sich die Effizienz der Mittel zu packender Stringenz verdichten kann. Die Formensprache der Musik, deutlich an alten Mustern orientiert, findet zu einer freien, unmittelbaren Expressivität, hat al- so auch dankbare, profilierende Aufgaben für acht Solisten bereit.
Die Geschichte ist klar und zielstrebig entworfen. Lucretia, die Gattin des römischen Generals Collatinus, bleibt gegenüber den Verführungskünsten des etruskischen „Feindes“Tarquinius standhaft, sodass dieser, um sie für eine Nacht zu besitzen, zum Mittel brutaler Vergewaltigung greift. Lucretia kann und will mit der Schande, obwohl ihr Mann ihr verzeiht, nicht leben und bringt sich um. Die Kommentatoren kreieren daraus eine (christliche) Leidensgeschichte als Ausfluss der Verderbtheit der Welt: ein appellativer Zug, der bei aller emotionalen Intensität heute doch auch sehr zeigefingerhaft wirkt.
Die sehens- und hörenswerte Inszenierung der Universität Mozarteum, die noch heute, Samstag, um 17 Uhr zu erleben ist, versucht möglichste Distanz zu schaffen, eine Art oratorisch strengen Rahmen zu finden, ohne dabei das dramatische Potenzial außer acht zu lassen. Male resp. Female Chorus (zwei Solisten) suchen bei aller einkomponierten Anteilnahme einen möglichst neutralen Ton, als würden sie eine Fernsehsendung moderieren, die Handlung wird in einem und um einen schwarzen Kubus in strengem Schwarz-Weiß parabelhaft erzählt. Hermann Keckeis weiß sich als Inszenator klug zurückzuhalten und seinen starken Singdarstellern das Feld zu überlassen.
Da sind – in der zweiten Besetzung, die wir am Donnerstag hörten – bereits exzellent durchgebildete, erstaunlich fokussierte und überlegt geführte Stimmen am Werk: die hoheitsvolle, tragödisch timbrierte Irina Maltseva in der Titelrolle, die fabelhaften Erzähler Shan Huang und Anna Büchel, der wuchtig auftretende Slavis Besedin als Collatinus, der etwas geradlinig verführerische Tarquinius von Rupert Grössinger und die kleineren, aber nicht minder verantwortungsvollen Rollen (Ulrike Rapp, Johanna Kapelari, Gukchul Jung). Und das Kammerorchester unter Gernot Sahler ist präzise auf dem Posten, um Brittens Musik auch in der trockenen Akustik punktgenau zu artikulieren.