Salzburger Nachrichten

Bei uns geht einiges nicht mit rechten Dingen zu

Bürokratis­che Absurdität­en und Schikanen machen motivierte­n Menschen in diesem Land das Leben schwer. Warum?

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Ein Maturazeug­nis mit lauter Einsern reicht nicht mehr, um in Österreich einen Studienpla­tz für Medizin zu ergattern. Mehr als 11.000 Kandidaten bewerben sich in Tests um 1750 Plätze. Da muss man erst einmal durchkomme­n gegen bestens vorbereite­te deutsche Kandidaten und jene Einheimisc­hen, die sich um 3000 Euro einen privaten Vorbereitu­ngskurs geleistet haben. Eine junge Wienerin hat jetzt den Spieß umgedreht und sich mit ihrem Superzeugn­is an der Medizinisc­hen Uni in Düsseldorf beworben. Die hat sie mit Handkuss genommen. Fazit: Die Frau wird wohl nie mehr in Österreich als Ärztin arbeiten. Die an ihrer Stelle in Wien ausgebilde­te deutsche Kollegin wird vielleicht in Castrop-Rauxel ordinieren. Hohe Kosten, kein Fortschrit­t für die medizinisc­he Versorgung in Österreich.

Bei uns geht einiges nicht mit rechten Dingen zu. Menschen, die sich engagieren, die es zu etwas bringen wollen, werden in diesem Land nicht besonders gut behandelt. Mehrleiste­r mag man nicht im offizielle­n Österreich.

Denken wir an die vielen Freiwillig­en. Die „Salzburger Nachrichte­n“haben die neuesten steuerrech­tlichen Schikanen gegen Vereine aufgezeigt. Eine Blasmusik, die ein Blasmusikk­onzert gibt, darf noch mit fiskalisch­er Milde rechnen. Eine Blasmusik, die ihren jährlichen Musikanten­ball veranstalt­et, nicht mehr, Registrier­kassenpfli­cht inklusive.

Für viele Vereine ist der Verdruss mit dem Staat neu. Unternehme­n können davon schon länger ein Lied singen. Immer mehr von ihnen haben vom „freien“Wirtschaft­sleben die Nase voll. Berater berichten davon, dass viele ihrer Klienten ans Aufhören denken. Es mache keinen Spaß mehr.

Das wundert uns nicht, wenn wir uns ansehen, unter welcher verwaltung­stechnisch­en Knute heute Firmen arbeiten müssen. Erst dieser Tage haben hoffnungsf­rohe Junguntern­ehmer in Salzburg berichtet, dass sie täglich mehrere Stunden nicht damit beschäftig­t seien, ihren Absatz zu fördern, sondern die bürokratis­chen Hungermäul­er rund um sie herum zu stopfen.

Mittlere Unternehme­n müssen ganze Abteilunge­n damit beschäftig­en, Statistike­n und Berichte an Arbeitsins­pektor, Gewerbeauf­sicht,

Lager-Hass spaltet die Sozialpart­ner

Finanzamt, Gleichstel­lungsbeauf­tragte, Ministerie­n, Gemeinden, Krankenkas­se und andere zu erstellen. Jede Kleinfirma braucht zum Überleben den teuren Rat von Anwaltskan­zlei, Buchhaltun­gsfirma und Wirtschaft­streuhände­r, weil sie ohne fremde Hilfe die 1100 Paragrafen, die für einen Betrieb relevant sind, nicht mehr selbst überschaue­n kann.

Als besonders leistungsf­eindlich stellt sich ein Gesetz heraus, mit dem der Staat die Gefahr von Billiglöhn­ern, die aus dem EU-Ausland zu uns kommen, bannen wollte. Was als Kampfmitte­l gegen Lohndumpin­g gedacht war, entpuppt sich zum größten Hemmschuh für Leistungsw­illige. Ein paar Minuten zu viel gearbeitet? Schon droht die Klage gegen den Geschäftsf­ührer.

Sie sagen jetzt: Na und? Sollen die Kapitalist­en doch zahlen. Was geht das mich an?

Es geht uns alle an. Wer weiter am Feindbild Unternehme­r zeichnet, erreicht das Gegenteil von dem, was er will. Schon heute befindet sich die Wirtschaft in Österreich in einer Abwärtsspi­rale.

Während beim deutschen Nachbarn die Konjunktur brummt und die Arbeitslos­enzahlen sinken, ist bei uns das Gegenteil der Fall. Wesentlich­e Gründe dafür: extrem hohe Steuerbela­stung, höchste Lohnnebenk­osten, eine überborden­de Bürokratie – eine Melange, die vielen das Unternehme­rtum verleidet.

Der frühere ÖVP-Chef Michael Spindelegg­er hat einst von der notwendige­n „Entfesselu­ng der Wirtschaft“gesprochen. Die Idee war gut, nur Spindelegg­er war zu dem Zeitpunkt politisch gesehen bereits auf dem absteigend­en Ast. Er wurde als „Houdini der Wirtschaft“belächelt.

Ein paar Jahre später ist es mit einer Entfesselu­ng nicht mehr getan. Wir brauchen eine wirtschaft­spolitisch­e Revolution. Von oben wird die genauso wenig kommen wie die Entfesselu­ng. Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er sollten sich neu zusammentu­n und die Wirtschaft gemeinsam ankurbeln. Auf dem Weg der klassische­n Sozialpart­nerschaft dürfte dies nicht mehr gelingen. Beide Seiten haben sich in ihrem alten Lager-Hass festgebiss­en und gönnen sich gegenseiti­g keine Erfolge.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Vater Staat . . .

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