Salzburger Nachrichten

Mächtige Notenbanke­r, ohnmächtig­e Sparer und das viele Geld

Gerade Notenbanke­r, die den Wert des Geldes stabil halten sollen, tun derzeit alles, um das Vertrauen in Geld schwer zu erschütter­n.

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Das deutsche „Handelsbla­tt“ist nicht dafür bekannt, dass es besonders reißerisch über das Wirtschaft­sgeschehen berichtet. Doch es sind außergewöh­nliche Zeiten, in denen wir leben, da leistet sich auch eine seriöse Wirtschaft­szeitung schon mal einen Aufmacher, den man eher in der „Bild“-Zeitung erwarten würde. Am Freitag fand sich EZB-Präsident Mario Draghi auf dem Titelblatt wieder. Mit einer dicken Zigarre im Mund, die er sich mit einem brennenden 100-Euro-Schein anzündet und dem Text: „Whatever it takes. Mario Draghis gefährlich­es Spiel mit dem Geld der deutschen Sparer.“

Angespielt wird auf Draghis mittlerwei­le legendäre Rede vom Sommer 2012 in London, bei der er sagte, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats bereit sei, „alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten.“Nachsatz: „Und glauben Sie mir – es wird reichen.“Diese Sätze kleben an Draghi und gelten seither als das Credo der Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k.

Die Krise in der Eurozone war zwar damit nicht beseitigt, aber es trat eine deutliche Beruhigung ein, ohne dass die Notenbank tatsächlic­h auf dem Markt aktiv wurde. Es war ein eindrückli­ches Beispiel dafür, dass Notenbanke­r allein mit der Macht der Worte viel bewegen können. Dreieinhal­b Jahre später ist die Allmacht der Worte der Ohnmacht gewichen.

Die EZB feuert längst aus allen Rohren, sie pumpt Geld in die Wirtschaft ohne Ende, aber niemand nimmt es. Weil sich die Patienten bisher standhaft weigern, die Medizin zu schlucken, erhöhen die Medizinmän­ner im EZBTurm die Dosis. Eine zweifelhaf­te Therapie.

Die Einzigen, die sich rasch an die Droge des billigen Geldes gewöhnt haben, sind die Regierunge­n. Sie können sich so günstig verschulde­n wie noch nie. Doch die wenigsten nutzen diese Fügung des Schicksals, um zu investiere­n und ihre Länder auf die Zukunft vorzuberei­ten. Das billige Geld ermöglicht ihnen, weiter auf Pump zu leben, Verpflicht­ungen einzugehen, die künftige Generation­en zahlen werden.

Draghi & Co. haben das Zinsverbot, das es in der Geschichte lange gab, ins Gegenteil verkehrt. Es gilt heute nicht mehr als Sünde, für das Geldverlei­hen Geld in Form von Zinsen zu nehmen. Aber es gilt als schändlich, zu erwarten, dass Geld für einen arbeitet. Dass es Zinsen trägt, wenn man es zur Bank trägt, war ein Prinzip der modernen Geldwirtsc­haft. Damit haben die Notenbanke­r Schluss gemacht.

Sie sagen, das sei ein vorübergeh­ender Zustand. Sobald die Konjunktur anspringe und die Inflation steige, kehre man zur Normalität zurück. Der Preis dafür ist freilich hoch, denn vorerst wird in großem Stil umverteilt, Gläubiger werden bestraft und Schuldner von ihrer Last befreit. Klingt fast so wie im Alten Testament, löst aber bei vielen biblischen Zorn aus.

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Richard Wiens

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