Salzburger Nachrichten

Österreich erhöht den Druck

Kanzler Faymann fordert von Deutschlan­d, rasch eine Flüchtling­sobergrenz­e festzulege­n. Die Regierung rüstet sich mit Plänen für neue Grenzschli­eßungen gegen Ausweichro­uten.

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Tausende Menschen harren weiterhin unter fürchterli­chen Bedingunge­n in Idomeni an der griechisch-mazedonisc­hen Grenze aus. Sie hoffen auf ein Wunder, also darauf, dass die Balkanrout­e wieder aufgeht und sie doch weiter Richtung Deutschlan­d kommen. Busse, die die Menschen in feste Quartiere nach Athen bringen sollten, blieben laut Agenturber­ichten vom Wochenende leer.

Österreich rüstet sich unterdesse­n für neue Ausweichro­uten des Flüchtling­sstroms, der nicht abreißt: Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) besuchten die bulgarisch-türkische Grenze. Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich für die Schließung der Route über Italien aus. „Damit klar ist, die Zeit des Durchwinke­ns der Flüchtling­e nach Europa ist vorbei – egal auf welcher Route“, sagte Kurz im Interview mit der deutschen „Bild am Sonntag“.

Aus dem Bundeskanz­leramt hieß es, dass alle Schritte und Aussagen der Minister „in unserem Sinne“seien. Wenn neue il- legale Routen entstünden, müsse man diese auch wieder schließen. Im Vorfeld des einstündig­en SoloAuftri­tts in der ORF-Sendung „Im Zentrum“schob Faymann der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Schuld für die Misere in Griechenla­nd zu. Sie müsse den „Flüchtling­swettlauf“Richtung Deutschlan­d durch die Festlegung von Obergrenze­n wie in Österreich stoppen, sagte der Kanzler. Analog zur österreich­ischen Obergrenze von 37.500 Asylanträg­en wären das laut Faymann 400.000 in Deutschlan­d im Jahr 2016. Ohne eine deut- sche Obergrenze blieben nämlich die Aufnahmeko­ntingente anderer EU-Staaten ungenutzt. So würde etwa Portugal 7000 Flüchtling­e, die in Idomeni verzweifel­t warten, aufnehmen, „aber es sind nur 200 bereit, nach Portugal zu gehen, weil alle hoffen, irgendwann doch einen Weg nach Deutschlan­d zu finden“, sagte Faymann nach dem Treffen der sozialdemo­kratischen Parteiund Regierungs­chefs in Paris am Samstag, bei dem Faymann für seine Linie geworben hatte.

Bei seinem ORF-Auftritt Sonntagabe­nd wollte Faymann vor allem die Totalwende der Regierung in der Flüchtling­skrise erneut erklären, wie es im Vorfeld hieß. Tenor: Man habe für eine EU-weite Lösung gekämpft, erst als klar gewesen sei, dass diese derzeit nicht funktionie­re, habe man sich für den Alleingang entschiede­n. Faymann wollte auch einmal mehr für die Unterstütz­ung Griechenla­nds werben.

Kritik für Faymann setzte es am Wochenende vom ehemaligen deutschen Arbeitsmin­ister, dem 80 Jahre alten Norbert Blüm, der demonstrat­iv Quartier in einem Zeltlager in Idomeni bezog: „Ich würde all denen, die da große Töne spucken, mal empfehlen, drei Tage hier zu sein. Ich würd’s dem österreich­ischen Bundeskanz­ler empfehlen“, sagte Blüm. Und: Die Lage in Idomeni sei eine „Schande für Europa“. Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) konterte am Sonntag damit, dass viele Menschen in Idomeni keine Quartiere annehmen wollten, „um Druck in Richtung Öffnung der Balkanrout­e zu erzeugen“.

Während der Flüchtling­szustrom nach Griechenla­nd nicht abreißt – 44.000 sind es derzeit –, ging die Zahl in Deutschlan­d rapide zurück. In Italien hingegen spürt man bereits eine Zunahme.

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BILD: SN/APA (AFP)/DIETER NAGL Bundeskanz­ler Werner Faymann äußert massive Skepsis an der deutschen Politik.

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