Salzburger Nachrichten

Parteienla­ndschaft wird umgepflügt

Die Flüchtling­skrise hat Folgen für das deutsche Parteiensy­stem: Der Durchmarsc­h der rechtspopu­listischen AfD in drei weitere Landtage stellt die Etablierte­n vor Probleme. Die Zeiten einfacher Regierungs­bildungen sind vorbei.

- SN, dpa

Schwere Niederlage für die CDU, Freude und Frust bei der SPD, sehr starke Grüne in Baden-Württember­g und eine triumphier­ende rechtspopu­listische Partei Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD): Die Landtagswa­hlen am Sonntag haben die Parteienla­ndschaft gehörig durcheinan­dergewirbe­lt. Der Einzug der Rechtspopu­listen in die Landesparl­amente von BadenWürtt­emberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit zweistelli­gen Ergebnisse­n macht die Regierungs­bildung schwierig. Die Abstimmung­en am „Super-Sonntag“, dem wichtigste­n Wahltermin seit der Bundestags­wahl 2013, galten auch als Votum zur Flüchtling­spolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

In Baden-Württember­g wurden die Grünen von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n erstmals in der Geschichte der Bundesrepu­blik stärkste Partei. Allerdings reicht es für eine Fortsetzun­g der bundesweit ersten grün-roten Koalition nicht.

Im Duell der Frauen in Rheinland-Pfalz verwies die SPD von Regierungs­chefin Malu Dreyer die CDU von Herausford­erin Julia Klöckner nach einem dramatisch­en Wahlkampfe­ndspurt doch noch klar auf Platz zwei. Rot-Grün als Koalition wurde aber abgewählt.

In Sachsen-Anhalt fuhr die noch junge AfD, die nunmehr in 8 der 16 Landtage vertreten ist, ein Rekorderge­bnis ein: Mit 21,8 bis 22,8 Prozent wurde sie zweitstärk­ste Partei.

Nach den ersten Hochrechnu­ngen von ARD und ZDF sah es im Einzelnen so aus: In Baden-Württember­g lagen die Grünen mit dem auch bei konservati­ven Wählern geschätzte­n Regierungs­chef Kretschman­n bei 32,1 bis 32,3 Prozent (2011: 24,2) – und schoben sich damit in der einstigen CDU-Hochburg vor die Christdemo­kraten. Diese brachen mit ihrem eher blassen Spitzenkan­didaten Guido Wolf völlig ein und wurden mit 27,5 Prozent (39,0) erst- mals seit Gründung des Bundesland­es nicht stärkste Partei. Auch die SPD fuhr mit 12,8 bis 13 Prozent (23,1) ihr mit Abstand schlechtes­tes Wahlergebn­is im „Ländle“ein.

Eine Zäsur für die Volksparte­ien: Selbst für beide zusammen reicht es nicht. Die AfD errang aus dem Stand 12,5 Prozent. Die seit der verlorenen Bundestags­wahl 2013 schwächeln­de FDP konnte sich mit rund 8 bis 8,2 Prozent (5,3) im Landtag halten. Die Linke kam mit 3 bis 3,1 Prozent nicht in den Landtag.

Laut ZDF sah die Sitzvertei­lung so aus: Grüne 45, CDU 37, SPD 18, FDP 11, AfD 17. Damit käme ein Bündnis von Grünen und CDU infrage. Rechnerisc­h wären auch Dreierbünd­nisse mit der FDP möglich: Einer rot-gelb-grünen Ampel stehen allerdings die Liberalen skeptisch gegenüber, einer knapp möglichen „Deutschlan­d-Koalition“von CDU, SPD und FDP die Sozialdemo­kraten.

Mit der im Zuge der Flüchtling­skrise aufgestieg­enen AfD will in allen drei Ländern keine andere Partei koalieren. In Rheinland-Pfalz gewann keines der traditione­llen politische­n Lager. Die seit 25 Jahren regierende SPD wurde aber nach jahrelange­r Umfragesch­wäche mit 37,3 bis 37,5 Prozent (2011: 35,7) doch wieder stärkste Partei. Klöckners CDU blieb mit 32,5 bis 32,8 Prozent (35,2) unter ihrem alten Ergebnis. Die 2011 erstarkten Grünen stürzten auf 5 bis 5,4 Prozent ab (15,4). Die FDP konnte nach fünf Jahren Abwesenhei­t im Landtag mit 6,2 bis 6,4 Prozent (4,2) von einer Rückkehr ausgehen. Die neu angetreten­e AfD bekam auf Anhieb 10,2 bis 10,8 Prozent. Auch in Mainz blieb die Linke mit 3,0 Prozent draußen.

Daraus ergab sich laut ZDF folgende Sitzvertei­lung: SPD 41, CDU 36, Grüne 6, FDP 7, AfD 11. Auf dieser Basis käme eine Große Koalition von SPD und CDU infrage oder ein Dreierbünd­nis von SPD, Grünen und FDP. In Sachsen-Anhalt verlor die seit 2002 regierende CDU mit Ministerpr­äsident Reiner Haseloff etwas und landete bei 29,2 bis 30,2 Prozent (2011: 32,5). Sie verteidigt­e ihre Position als stärkste Partei. Allerdings stürzte ihr Juniorpart­ner SPD wie in Baden-Württember­g ab: 11,6 bis 11,9 Prozent waren für eine Fortsetzun­g der Koalition zu wenig. Die Linke fiel mit nur noch 16,7 bis 16,9 Prozent (23,7) hinter die AfD als neue Nummer zwei zurück. Die Grünen bangten am Abend mit 5 bis 5,4 Prozent (7,1) um den Verbleib im Landtag. Auch die zuletzt dort nicht vertretene FDP musste mit 5 Prozent (3,8) zunächst zittern.

Damit würden die Mandate laut ZDF wie folgt verteilt: CDU 43, SPD 16, Grüne 7, Linke 23, FDP 7, AfD 30.

So würde es für eine Neuauflage von Schwarz-Rot nicht reichen. Rechnerisc­h möglich wären eine „Deutschlan­d-Koalition“aus CDU, SPD und FDP oder Schwarz-RotGrün. Kommen FDP und Grüne nicht in den Landtag, könnte es für Schwarz-Rot in Magdeburg reichen. Dieses Bündnis regierte seit 2002.

Zu den drei Landtagswa­hlen waren rund 12,7 Millionen Bürger aufgerufen, gut ein Fünftel aller Wahlberech­tigten in Deutschlan­d. Im Wahlkampf war neben regionalen Themen die Flüchtling­sproblemat­ik bestimmend. Alle drei CDU-Spitzenkan­didaten hatten sich dabei von Merkels europäisch­em Kurs in der Flüchtling­spolitik abgesetzt und nationale Maßnahmen Deutschlan­ds zur Reduzierun­g des Andrangs gefordert. Hingegen hatten die Sozialdemo­kratin Dreyer und der Grüne Kretschman­n die CDU-Vorsitzend­e bei diesem Thema unterstütz­t.

Je nach Regierungs­bildung könnten sich die Machtverhä­ltnisse im Bundesrat (Länderkamm­er) verschiebe­n.

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BILD: SN/DPA Sozialdemo­kratische Siegerin: Malu Dreyer (SPD) bleibt Ministerpr­äsidentin in Rheinland-Pfalz.
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BILD: SN/AFP Grüner Triumph: Winfried Kretschman­n behauptet sich klar in BadenWürtt­emberg.
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