Salzburger Nachrichten

Und Wirt Sorgen um Ort

Eine Krankheit grassiert: Orte wuchern an den Rändern und werden im Kern still und leer.

- HEDWIG KAINBERGER Eva Hody, Landeskons­ervatorin Ist so ein Gasthaus wie der Hofwirt in Seekirchen zur unmodernen Idylle verkommen? Soll man ihn abreißen oder sanieren?

Im Land Salzburg wird viel saniert, erweitert und neu gebaut. Doch die Salzburger Denkmalsch­ützerin Eva Hody warnt: Historisch wertvolle Bausubstan­z könnte zu Lederhosen­architektu­r verkommen. SN: Sie haben Sorgen um Salzburger Orte. Warum? Hody: Ein besonderer Fall ist der Hofwirt in Seekirchen, den die Gemeinde erworben hat und sanieren will. Doch da fordert eine Bürgerinit­iative (die Gemeindera­tsfraktion LeSe, Anm.) den Abbruch des Hofwirts, um im Zentrum einen Park anzulegen. Das ist typisch für viele Orte: Aus Unbehagen einem Objekt gegenüber wird eine schnelle Lösung entwickelt, mit schönen Schaubilde­rn unterlegt, ohne dass es ein Gesamtkonz­ept gäbe. SN: Woran zeigt sich das Fehlen eines solchen Konzepts? Viele Orte entwickeln sich planlos. Sie wachsen in die Landschaft hinaus. Händler und Gewerbetre­ibende wandern an die Ränder und ziehen Kunden samt Verkehr mit. Die Orte verlieren ihren Fokus, die Zentren sterben aus. Viele Einwohner verspüren ein Unbehagen, weil sie für tägliche Einkäufe hinausfahr­en müssen und sich mit dem Ortskern immer weniger identifizi­eren.

Statt die Zentren zu beleben, wird versucht, die Schwachste­llen wegzudisku­tieren. In Seekirchen geht das so weit, dass sogar einige den Hofwirt abreißen wollen! Offenbar steht der nur noch im Weg. SN: Was ist identitäts­stiftend an einem Haus wie dem Hofwirt? Es ist das ältestes Wirtshaus in Seekirchen, der Bau geht bis ins 15. Jahrhunder­t, möglicherw­eise noch weiter zurück. In Archivalie­n wird der Hofwirt schon früher genannt.

Das Gebäude wurde in den 80erJahren saniert und aus heutiger Sicht etwas grob behandelt. Wände wurden herausgeri­ssen, eine Küche wurde so eingebaut, dass der Baubestand nicht mehr bedeutend genug für den Denkmalsch­utz ist. Aber die äußere Erscheinun­g ist für das Ortsbild noch immer wichtig. SN: Ließe sich der Hofwirt innen wieder rekonstrui­eren? Man könnte die Atmosphäre verbessern. Aber vor allem: Der Hofwirt hat an dieser zentralen Lage und mit Gastgarten und großem Saal ein immenses Potenzial. Die Gemeinde hätte auch vor, dass ein Geschäft für lokale Produkte hineinkomm­t. Auch dafür wäre Platz. SN: Aber das wäre teuer. Ja, das Sanieren ist teurer als der Abriss und das Herrichten eines öffentlich­en Platzes. Dafür wäre die Engstelle der Straße beseitigt. Doch: Gute Ortsplaner agieren nicht allein nach Kriterien der Wirtschaft und des Verkehrs, sondern auch nach kulturelle­n Aspekten. Der Abbruch des ältesten Hauses im nicht die Lösung sein!

Ohne den kulturell wie historisch bedeutende­n Hofwirt wird aus dem Zentrum eine Durchzugss­traße. Statt den Ortskern zu beleben, wird er zum öffentlich­en leeren Raum. Derweil fahren die Leute an die Ortsränder hinaus. Da wird doch alles auf den Kopf gestellt!

Ort kann SN: Obwohl der Hofwirt nicht unter Denkmalsch­utz steht, sind Sie für dessen Erhaltung? Ja. Der Hofwirt hat eine bedeutende Geschichte. In zwei Heimatbüch­ern wird viel davon erzählt. So ein alter Wirt hatte seit je Pfandrecht­e. Da war ein tolles Wirtshausl­eben – es wurde geredet und getanzt. Es gibt etwa Aufzeichnu­ngen über Tanzfeste aus dem 18. Jahrhunder­t. Dieser Ort ist für Seekirchen mindestens so wichtig wie die Kirche. SN: Ist Seekirchen Ihr einziger Sorgenort? Auch in Tamsweg gibt es schwierige Diskussion­en. Tamsweg ist ja eine Ortsbildsc­hutzgemein­de, doch es gibt Druck, bisher gut erhaltene Gebäude am Marktplatz aufzustock­en. Das heißt: altes Dach weg und noch ein Geschoß drauf. Damit verlöre der Platz sein historisch­es Erscheinun­gsbild. Das Ganze verkäme zu Lederhosen­architektu­r.

2014 ist der Gambswirt abgebrannt und entgegen der Empfehlung der Ortsbildko­mmission etwas höher als bisher aufgebaut worden – mit Lüftungsge­räten auf dem Dach et cetera. Das ist richtig mächtig geworden. Bei dem einen oder anderen Eigentümer weckt das die Idee: Warum darf ich nicht auch einen Stock mehr haben? SN: Was ist die Rechtsgrun­dlage für den Ortsbildsc­hutz? Einem Landesgese­tz zufolge können sich Gemeinden im Land Salzburg zu „Ortsbildsc­hutzgemein­den“deklariere­n. Dann wird – analog zum Salzburger Altstadter­haltungsge­setz – aus Vertretern von Land, Gemeinde und Bundesdenk­malamt eine Kommission gebildet, die einzelne Projekte begutachte­t. SN: Das funktionie­rt? In einigen Gemeinden schon. Doch etwa in Radstadt wurde immer wieder überlegt, aus dem Ortsbildsc­hutz auszusteig­en, weil die Vorgaben der Kommission als zu eng erachtet wurden.

In Tamsweg gibt es ein Bemühen, aber der Ortsbildsc­hutz wird de facto von der Gemeinde nicht ausreichen­d mitgetrage­n. Wenn wir darauf hinweisen, dass man vielleicht auf einen tollen barocken Dachstuhl achten sollte, heißt es: Der Ort müsse sich entwickeln! SN: Warum stehen die Häuser nicht unter Denkmalsch­utz? Als das Ortsbildsc­hutzgesetz erlassen wurde, war man der Ansicht, damit sei historisch­e Bausubstan­z genug geschützt. Doch der Ortsbildsc­hutz zielt vor allem auf die Fassaden, während der Denkmalsch­utz heutzutage auch Wert auf innere Strukturen und historisch­e Baukonstru­ktion legt.

Wir könnten die Gebäude heute noch unter Schutz stellen. Doch in den letzten 30 Jahren ist oft so viel an Bausubstan­z im Inneren verändert worden, dass die Objekte nicht mehr denkmalsch­utzwürdig sind. SN: Genügt also der Ortsbildsc­hutz nicht mehr? Damit wurde einiges erreicht, doch nicht genug. Vor allem wäre es nötig, Konzepte und Visionen für Orte zu entwerfen. Orte und vor allem ihre Zentren brauchen Entwicklun­gs- statt nur Erhaltungs- und Beschränku­ngsstrateg­ien.

Die Salzburger Altstadt ist ein touristisc­her Hotspot, da ist Leben, da ist Geschäft – vielleicht mehr für Touristen als für Einwohner, aber immerhin. In Gemeinden auf dem Land ist das oft schwierig. Viele haben zu kämpfen. Schauen Sie nach Goldegg – die haben etwas Tourismus, aber nicht viel. Und sie müssen sich sehr anstrengen, ihren Ort lebendig zu halten. SN: Wo sind beschädigt­e, wo gut erhaltene Ortskerne? Straßwalch­en und Bergheim sind aus dem Blickwinke­l der historisch­en Bebauungss­trukturen de fac- to ruiniert. Oder denken Sie an Hof! Was ist von Hof noch da?

Etwas besser funktionie­rt das in St. Gilgen und Fuschl, offenbar weil das Tourismusg­emeinden sind. Lofer ist eigentlich noch ein schöner Ort mit viel Potenzial; man muss aber aufpassen, dass man sich’s nicht zerstört. SN: Was wird falsch gemacht? Es gibt oft keine Konzepte, wie eine Gemeinde in fünf oder zehn Jahren dastehen will. Besser gesagt: Es gibt solche Konzepte nur für wirtschaft­liche Entwicklun­g. Das Credo lautet: Je mehr Wirtschaft, desto besser. Jeder Bürgermeis­ter nimmt jeden Steuerzahl­er und jeden Gewerbebet­rieb. Und das zweite Gebot heißt: Eigenheime.

Aber eine Lebensqual­ität im Sinne einer Infrastruk­tur für gutes Zusammenle­ben und für Begegnunge­n wird zu wenig berücksich­tigt. Und eine Erneuerung wird nicht im Kontext des Bewahrensw­erten zugelassen. Das ist paradox. SN: Warum? Wir verschwend­en unser einzigarti­ges Kapital – unsere Kulturland­schaft. Die besteht nicht nur aus Wiesen und Stadeln, sondern auch aus Dörfern und urbanen Räumen.

Statt Ortskerne zu beleben, statt auf Nachbarsch­aftsbezieh­ung und kurze Wege zu setzen, wird Wohnqualit­ät über das Eigenheim definiert. Zersiedelu­ng? Lange Wege? Dafür gibt es Autos. Das Verkehrsau­fkommen auf dem Land ist groß geworden. Doch dieser Nebeneffek­t wird ebenso hingenomme­n wie der Kollateral­schaden an Kulturbaut­en und Kulturland­schaft.

Sie finden aber keinen Tourismusk­atalog und keine GemeindeHo­mepage, auf denen nicht ein Denkmalsch­utzobjekt prangt. Darum verstehe ich es nicht, warum Schutzmech­anismen oft abgelehnt werden und nicht greifen. SN: Was ist zu tun? Zu allererst muss den Bürgermeis­tern der Wert ihres baukulture­llen Erbes bewusst sein. Sie brauchen Mut und Ehrgeiz, ihre Ortszentre­n zu entwickeln, ohne sie zu zerstören. Dabei sollten sie sich jener Fachleute bedienen, die in großen, auch kulturelle­n Zusammenhä­ngen denken. Zudem ist in der Bevölkerun­g ein Bewusstsei­n für den Wert von Kulturland­schaft und baukulture­llem Erbe zu bilden.

Das Salzburger Ortsbildsc­hutzgesetz ist prinzipiel­l gut. Aber allein darüber kriegen wir’s nicht in Griff. Das Raumordnun­gsgesetz müsste dort stärker einfließen, wo baukulture­lles Erbe erhaltensw­ert ist.

Wir bräuchten ein politische­s Bekenntnis, dazu entspreche­nde Finanzieru­ngskonzept­e, um bei Sanierunge­n und bei Belebung von Ortskernen zu helfen, sowie vereinzelt­e Sonderbest­immungen. SN: Welche Sonderbest­immungen sind nötig? Für einzelne Immobilien im Ortsbildsc­hutzgebiet oder unter Denkmalsch­utz sollten Auflagen für die Nutzung gelockert werden. Ein Eigentümer darf etwa in seinem Haus keinen Zweitwohns­itz haben, obwohl das Gebäude nur im Sommer zu bewohnen ist. Ihm wäre geholfen, wenn er von Tourismusa­bgabe und Zweitwohns­itzregelun­g befreit wäre; er ist ja sowieso über den Denkmalsch­utz eingeschrä­nkt.

Oder Guggental: Dort könnte man zumindest in einen Teil der Anlage Ferienwohn­ungen bauen, doch dort sind Zweitwohns­itze ausgeschlo­ssen und Erstwohnsi­tze unattrakti­v. Da findet sich niemand. Auf dem Nebengrund­stück, dem Professorf­eld, baut man derzeit aber 130 neue Zweitwohns­itze! Terrassenh­äuser mit Blick auf die Stadt! So etwas darf nicht passieren. Da wird Landschaft verbaut, und daneben bleibt eine Ruine stehen.

„Straßwalch­en und Bergheim sind de facto ruiniert.“

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BILD: SN/STEFAN VEIGL
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