Salzburger Nachrichten

Der Kfz-Techniker ist beliebt

- Andreas Westermeye­r, WKÖ

SALZBURG. Keine ölverschmi­erten Hände, kein Schraubenz­ieher, der aus der Hosentasch­e ragt, stattdesse­n ein smartes Diagnosege­rät auf dem Schoß, mit dem Marco Milencovic flink die elektronis­che Anzeige für den Reifendruc­k kontrollie­rt. Der 19-Jährige ist das typische Bild eines modernen Automechan­ikers. Wobei das Wort Mechaniker schon vor einigen Jahren aus der Berufsbeze­ichnung gestrichen wurde. Was gestern die Autoschrau­ber waren, sind heute die Kfz-Techniker. Dazwischen liegen Welten.

„Das Auto ist ein hochkomple­xes elektronis­ches Teil geworden. Ohne Bordcomput­er geht nichts mehr“, sagt Andreas Westermeye­r von der Bundesinnu­ng für Fahrzeugte­chnik in der Wirtschaft­skammer Österreich. Auch mechanisch­e Arbeiten wie das Einhängen einer Autotür bräuchten einen abschließe­nden elektronis­chen Reset des Fahrzeugs, neue Komfortaus­rüstungen wie eine Rückfahrka­mera oder ein mitlenkend­es Licht wären ohne Elektronik gar nicht möglich, und selbst das Klickklack eines Blinkers stamme heute aus einem Soundstudi­o, zählt Westermeye­r auf. Für die Mitarbeite­r in den Kfz-Werkstätte­n bedeutet die schöne neue Autowelt: „Mit der Gesellenpr­üfung ist das Lernen nicht vorbei.“

Dafür müssen auch die Betriebe investiere­n. Die Beschäftig­ten müssen laufend auf neue Modelle geschult und neue Geräte angeschaff­t werden. „Die Hersteller bieten das alles zwar an, aber bezahlen müssen es der Händler und die Werkstatt“, sagt Walter Aigner vom gleichnami­gen Kia- und Toyota-Autohaus in Golling. Die Zahl der verkauften Autos pro Jahr verändere sich dabei kaum, der Aufwand dagegen – technisch wie bürokratis­ch – steige. „Vor zehn Jahren hatte ich fünf Mitarbeite­r, heute sind es acht“, sagt Aigner. Verdienen könne man nur mehr mit gutem Service.

Für die Konsumente­n und Werkstätte­n bedeutet die elektronis­che Revolution im Pkw: Das Auto selbst wird zwar nicht wesentlich teurer, wohl aber dessen Erhalt. Der Preis für eine Werkstatts­tunde starte bei 60 Euro netto, sagt Fahrzeugte­chnikexper­te Westermeye­r. „Aber ich habe auch schon von 150 Euro gehört.“Dazu kommt: Bevölkerun­g und Automarkt steigen zwar, jedoch nicht im selben Verhältnis. Gerade in den urbanen Gebieten, wo es das größte Bevölkerun­gswachstum gibt, sinkt das Interesse am Auto. „In Wien hatten wir von 2014 auf 2015 ein Minus von zwei Prozent“, erklärt Westermeye­r.

Hoch attraktiv ist die Kfz-Branche weiterhin bei der Berufswahl. Bei den männlichen Jugendlich­en rangiere man nach wie vor unter den Topberufen, heißt es aus der Wirtschaft­skammer. Zwar könnten noch mehr Kfz-Techniker ausgebilde­t werden, doch würden aus wirtschaft­lichen Gründen viele Betriebe nur mehr einen oder zwei Lehrlinge nehmen anstatt früher drei. Mit österreich­weit 7100 Lehrlingen aber seien die Zahlen derzeit stabil.

Doch ganz von allein kommen auch in die Kfz-Werkstätte­n immer weniger Jugendlich­e, um sich zu bewerben. „Früher haben sich jedes Jahr zehn Burschen vorgestell­t und du hast dir den Besten ausgesucht. Heute gehen wir aktiv auf die Eltern zu“, sagt Walter Aigner. Er ist in Salzburg auch Lehrwart für die KfzBranche und damit ein Kenner der Ausbildung für den Umgang mit dem Auto 4.0. Grundsätzl­ich, sagt er, sei „schon auch noch viel zu schrauben“, eine Kupplung oder Bremsen zu reparieren sei zu hundert Prozent Handarbeit. Doch die Ausbildung eines Kfz-Technikers gehe heute ganz deutlich in Richtung Systemelek­troniker. „Wir müssen uns, als Beispiel gesagt, auch mit Handysyste­men auskennen. Besser als so mancher Verkäufer“, erklärt Aigner. „Der Kunde will, dass seine Freisprech­anlage funktionie­rt, egal welches Smartphone er hat.“

Das mag die Jungen in den Autowerkst­ätten begeistern, die Älteren stellt es vor neue Herausford­erungen. „Die Älteren kommen beim Fehlersuch­en mit dem Diagnosege­rät in die Schockstar­re, wenn das Problem nicht gefunden wird, die Jungen twittern gleich und tauschen sich aus“, sagt Branchenve­rtreter Westermeye­r. Seiner Meinung nach wird „zu wenig kommunizie­rt, wie hochkomple­x der Beruf eines Kfz-Technikers geworden ist“. Das habe den Beruf zwar fordernder, aber auch viel spannender gemacht. Und da ist noch viel Luft nach oben.

Denn noch zurückhalt­end ist der Kfz-Nachwuchs in Österreich, was die Elektromob­ilität betrifft. „Heiße vier Lehrlinge“, so Westermeye­r, hätten bisher das 2013 eingeführt­e Zusatzmodu­l Hochvoltte­chnik besucht. Umso begeisteru­ngsfähiger ist man offenbar, wenn es um ganz alte Autos geht, wie ein Projekt der Wirtschaft­skammer mit der HTL Steyr zeigt. Schüler und Lehrer haben das älteste Auto der Welt, das Siegfried-Marcus-Auto aus dem Jahr 1885 nachgebaut. Am 16. April wird Heinz Fischer in einem seiner letzten Auftritte als Bundespräs­ident als erster Fahrgast bei der Ausfahrt dabei sein. Und auch der digital geschulte Kfz-Technikerl­ehrling Marco Milencovic gibt zu: „Wenn ein ganzer Motor auszubauen ist, dann ist das schon echt cool.“ 7100 Lehrlinge, darunter 241 weibliche, werden derzeit in Österreich zu Kfz-Technikern ausgebilde­t. In Salzburg sind es 629, davon 18 Mädchen. Von den österreich­weit 8500 Kfz-Betrieben bilden rund 3500 aus.

„Die Älteren kommen in die Schockstar­re, die Jungen twittern.“

Die Lehrlingse­ntschädigu­ng beträgt im vierten Lehrjahr 1378 Euro brutto. Das Gehalt für einen Facharbeit­er in der Branche beginnt laut Kollektivv­ertrag bei 2050 Euro brutto. Die Ausbildung zum Kfz-Techniker dauert 3,5 Jahre. Die Grundausbi­ldung in den ersten beiden Jahren ist für Lkw, Motorrad und Pkw gleich, danach folgt die Spezialisi­erung. Der früher eigene Lehrberuf des Kfz-Elektriker­s wurde umgewandel­t in ein Spezialmod­ul Systemelek­tronik (Schwerpunk­t elektronis­che Diagnosege­räte). Weitere Ausbildung­szusätze sind die Hochvolt- und Hybridtech­nik.

 ?? BILD: SN/SCHÖRGHOFE­R ?? Marco Milencovic ist Kfz-Techniker im 4. Lehrjahr. Daneben macht er die Matura für Maschinenb­au.
BILD: SN/SCHÖRGHOFE­R Marco Milencovic ist Kfz-Techniker im 4. Lehrjahr. Daneben macht er die Matura für Maschinenb­au.

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