Bevölkerungswachstum trifft auf Dürre
Als wären Klimawandel und El Niño nicht genug. Viele Länder Afrikas leiden unter unfähigen und korrupten Eliten.
Wieder einmal sind Millionen von Afrikanern akut vom Hunger bedroht. Die Bilder spindeldürrer Kinder mit ihren hohlen Wangen und leblosen Augen wecken Mitleid – und wenig gute Erinnerungen an die äthiopische Hungersnot vor 30 Jahren, der damals rund eine Million Menschen zum Opfer fielen.
Äthiopien ist auch diesmal wieder betroffen, ähnlich heftig wie Somalia, der Südsudan, Malawi und Simbabwe.
Ein Grund für die Not liegt zweifellos außerhalb des menschlichen Handelns: Das Klimaphänomen El Niño, also die starke Erwärmung des Meerwassers vor der Westküste von Lateinamerika, ist dieses Jahr besonders stark ausgeprägt und hat die Dürre am Horn von Afrika, aber auch im Süden des Kontinents sicherlich noch verschärft. Mindestens bis zur Jahresmitte, so fürchten viele Experten, wird El Niño in Afrika spürbar sein. Dazu kommt der – vom Menschen verursachte – Klimawandel, der Afrika zusätzlich austrocknet.
Doch Dürre ist nicht gleich Dürre: Vergrößert wird ihr Ausmaß in allen betroffenen Ländern von anderen, ebenfalls von Menschen gemachten Phänomenen, die im Westen nur allzu gerne ignoriert werden: dem explosionsartigen Bevölkerungswachstum gerade in den ärmsten Regionen Afrikas, aber auch den oft schlechten politischen Führern auf dem Kontinent, von denen die wenigsten das Wort Gemeinwohl auch nur buchstabieren können.
In dem von der Dürre besonders stark heimgesuchten Ostteil der Sahelzone, dem Trockengürtel am Südrand der Sahara, liegt die Fruchtbarkeit im Schnitt noch immer bei mehr als sechs Kindern pro Frau. Das einstige Hungerland Äthiopien ist mit fast 100 Millionen Einwohnern nach Nigeria inzwischen die bevölkerungsreichste Nation Afrikas – und wächst kräftig weiter.
Zeitgleich verharrt die Landwirtschaft bei der Nahrungsmittelproduktion jedoch auf tiefstem Niveau: Statt Mähdrescher oder Traktor werden dort wie im europäischen Mittelal- ter Sense und Pflug verwendet. Auch werden die Parzellen immer kleiner, je mehr Kinder geboren werden.
Immerhin hat Äthiopiens Regierung bei allen Versäumnissen zuletzt weit besser vorgesorgt als in den 1980er-Jahren und Frühwarnsysteme installiert. Damals steckte die kommunistische Diktatur das zur Linderung der Not gedachte Geld einfach in den Krieg gegen die Separatisten in der Nordprovinz Eritrea, die 1993 unabhängig wurde – mit verheerenden Folgen. Verschärft wird die Lage auf dem Kon- tinent durch eine kurzsichtige Politik, die fast überall allein dem Machterhalt der Eliten dient: In Simbabwe war es die von dem inzwischen 92-jährigen Diktator Robert Mugabe verordnete massenhafte Enteignung und Vertreibung fast aller hochproduktiven (weißen) Großfarmer. Im Endeffekt wurde so die einst blühende Landwirtschaft ruiniert. Besonders hart betroffen sind nun entsprechend die ländlichen Gebiete, in denen die vielen schwarzen Kleinbauern auf kleinen Flächen fast nur für den Eigenbedarf produzieren.
Noch dramatischer ist die Lage im Südsudan, wo seit mehr als zwei Jahren ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen den beiden größten Stämmen des Landes tobt. Zwar ist in dem erst vor fünf Jahren unabhängig gewordenen Land nach einem vermeintlichen Friedensschluss zwischen Regierung und Rebellen womöglich ein Ende des sinnlosen Mordens in Sicht, dem Zehntausende zum Opfer gefallen sind. Doch kann dies nach den schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit keineswegs als sicher gelten. An den Aufbau nachhaltiger Strukturen in Politik und Landwirtschaft ist unter solchen Umständen jedenfalls nicht zu denken.
Bei einem Blick auf die von Dürre und Hunger besonders hart in Mitleidenschaft gezogenen Länder wird deutlich, dass sie alle besonders stark unter dem fatalen Mix aus schlechter Führung und unkontrollierter Bevölkerungszunahme leiden und sich daher schon seit Längerem nicht mehr selbst versorgen können.
Die nächste Hungersnot ist programmiert. Doch statt den korrupten Eliten die Hilfe zu streichen und sie zu zwingen, endlich die vernachlässigte Familienplanung in den Vordergrund zu rücken, bohren westliche Helfer oft nur weiter neue Brunnen oder verteilen Lebensmittel, was die Lage mittelfristig eher noch verschärft – und die Kinderzahl immer weiter steigen lässt.
AUSSEN@SALZBURG.COM