Ende gut, alles Gut
Lara Gut hat sich in ihrer Karriere mehr Feinde als Freunde gemacht. Nun wird sie just beim Heimspiel in St. Moritz zur Ski-Königin gekrönt.
ST. MORITZ. Vielleicht war es wirklich nur ein Zufall: Just am Tag nach Lara Guts erstmaligem Triumph im Gesamtweltcup – zugleich dem ersten einer Schweizerin seit der famosen Vreni Schneider 1995 – stellte die größte Schweizer Tageszeitung „Blick“ihren Lesern Montag die Gewissensfrage: Für welchen Schweizer Skistar schlägt Ihr Herz, wollte man wissen, zur Wahl standen die junge Wendy Holdener und Gut. Das Resultat: 67 Prozent votierten für Holdener, nur 33 für die neue Gesamtweltcupsiegerin.
Mit Sicherheit kein Zufall ist ihre enge Freundschaft zur Salzburgerin Anna Fenninger. Die beiden sind wesensverwandt und haben einen prägenden Charakterzug: Sie gehen keinem Konflikt aus dem Weg. Doch davon hatte Gut gleich um ein halbes Dutzend mehr als ihre Vorgängerin am Weltcup-Thron.
Dabei ging es los wie im Märchenbuch. Als Gut mit nur 17 Jahren gleich eines ihrer ersten Weltcuprennen in St. Moritz gewann (und seither jüngste Super-G-Siegerin aller Zeiten ist), galt sie als neuer Superstar in der Schweiz. Eine Rolle wie geschaffen für die polyglotte Blondine, die dreisprachig aufgewachsen ist. Doch der Doppelpass mit der Öffentlichkeit ging schief. Mit Aussagen wie „ich ziehe mein Ding durch und schere mich nicht um den Rest“oder „als Athletin freust du dich am meisten, wenn eine links und eine rechts neben dir ist“gewährte sie offene Einblicke in ihr Seelenleben, erwarb sich aber ebenso den Ruf, arrogant zu sein. Zum Bruch mit den Schweizer Medien kam es, als der „Blick“sie als „Unser Ski-Schätzchen“bezeichnet hat. „Niemand nennt mich ungefragt Schätzchen“, tobte sie und reduzierte die Kommunikation mit den Schweizer Medien auf einen einzigen kurzen Medientermin pro Renn-Wochenende.
Zum Bruch mit dem Verband kam es 2010. Gut hatte ein eigenes Team um sich aufgebaut und wollte sich auch selbst vermarkten. Ging es bei Fenninger um das Auto, ging es bei ihr um die Kleidung, der Rest verlief ähnlich und endete bei Gut sogar in einer Sperre. Spätestens da war sie an einem Punkt angelangt, an dem sie ernsthaft an Rücktritt dachte – mit 20 Jahren. „Ich war nur noch auf der Piste frei, sobald ich im Ziel war, ging der Horror von vorn los“, gestand sie im letzten Sommer. Erst in den letzten Jahren hat sich das Verhältnis entspannt und sie trainiert nun wieder mit dem Team.
Jetzt hat sie den Weltcup gewonnen, auch weil ihr die Konkurrentinnen abhandengekommen sind: Anna Fenninger, Mikaela Shiffrin und Lindsey Vonn verletzt, Tina Maze in Auszeit. Dass sie auch mit Lindsey Vonn eine ausgeprägte Feindschaft pflegt, hat tiefere Ursachen: Als Red Bull 2011 ein Werbetestimonial Lara Gut wollte, soll sich Lindsey Vonn quergelegt haben. Das hat ihr Gut nie verziehen. Doch jetzt bekommt sie am kommenden Sonntag in St. Moritz die Weltcupkugel überreicht.