Einkaufszentren werden zu Freizeitparks
Kunden wollen in Shopping-Centern nicht nur einkaufen, sondern sich vergnügen.
In Österreich ist der Trend zu Einkaufszentren ungebrochen. Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es in Österreich mit 360 Quadratmetern je 1000 Bewohner doppelt so viel Verkaufsfläche wie in Deutschland. Aber obwohl ständig neue Projekte verwirklicht werden, bleibt der Anteil der Shopping-Malls am gesamten Umsatz im Handel mit 16 Prozent konstant. Die hohe Dichte an Einkaufszentren bringt einen Verdrängungswettbewerb mit sich. Der Handelsforscher Wolfgang Richter von RegioData erwartet, „dass in nächster Zeit einige auf der Strecke bleiben werden“.
Die Shopping-Center folgen dem Trend, dass Einkaufen für viele Menschen mehr ist als das Besorgen des Nötigen. Weil Einkaufen zum Freizeitvergnügen geworden ist, setzen viele Shopping-Malls auf Zusatzangebote vom Gratis-Eislaufplatz über Kinos und eine umfangreiche Gastronomie bis hin zu Services wie Post und Polizeistation.
Marcus Wild, Chef des zu Spar gehörenden Shopping-Center-Betreibers SES, sieht die Entwicklung durchaus positiv: „Gerade in Zeiten, in denen immer mehr online eingekauft wird, aber auch viel private Kommunikation nicht mehr persönlich, sondern übers Smartphone läuft, wird das Einkaufszentrum als Ort der Begegnung immer wichtiger.“
SALZBURG. Der Boom ist zwar vorbei. Nicht mehr auf jeder grünen Wiese wächst derzeit ein neues Shopping-Center in die Höhe. Das Wachstum aber geht weiter: Statt neu gebaut wird jetzt erweitert, vergrößert, umgebaut. Von den größten 100 Shopping-Malls in Österreich hätten derzeit 15 oder mehr konkrete Erweiterungspläne, meint Handelsforscher Wolfgang Richter von RegioData. Dabei hat Österreich mit 360 Quadratmeter Verkaufsfläche pro 1000 Einwohner schon jetzt eine mehr als doppelt so hohe Shopping-Center-Dichte wie etwa Deutschland (164 m2) und liegt auch weit vor Frankreich (211 m2) und Großbritannien (221 m2).
Das Flächenwachstum gehe damit trotz wenig wirklich neuer Projekte weiter, sagt Richter – und das bei stagnierenden Umsätzen und immer stärker werdender OnlineKonkurrenz. „Die Zeiten, in denen die Shopping-Center dem restlichen Handel stets Marktanteile weggenommen haben, sind vorbei.“Am Gesamtumsatz im Handel halten die Shopping-Malls zuletzt konstant 16 Prozent, dazu kommen etwa zehn Prozent Umsatz in Fachmarktzentren an Verkehrsknotenpunkten. Einkaufsstraßen und Ortszentren kommen im Vergleich auf gemeinsam nur 13 Prozent Anteil am gesamten Handelsumsatz, das Online-Geschäft nimmt stark zu und liegt bei über zehn Prozent.
Die Folge sei auch bei Einkaufszentren ein mittlerweile massiver Verdrängungswettbewerb, erklärt Richter. „Da werden in nächster Zeit etliche auf der Strecke bleiben.“War es über Jahre so, dass Händler lange warten mussten, um einen Standort in einem Shopping-Center zu bekommen, ist es mittlerweile umgekehrt, dass viele Center um jeden Mieter kämpfen müssen.
Dazu kommt, dass sich auch die Konsumgewohnheiten verändern. Seit Jahren setzen die großen Einkaufszentren darauf, nicht nur als Einkaufs-, sondern auch als Freizeitziel wahrgenommen zu werden: Gratis-Eislaufplatz, Kinosaal, Gastronomie-Angebot, Modeschau bis hin zu Post und Polizeistation. Das führt dazu, dass manche Konsumenten nur noch flanieren und gustieren, aber weniger einkaufen.
Marcus Wild, Chef von Österreichs größtem Shopping-CenterBetreiber SES der Spar-Gruppe, sieht das anders. „Wenn die Leute zum Flanieren kommen, ist das wunderbar, dann haben wir unser Ziel erreicht“, betont er. Die Funktion des Einkaufszentrums für den Kunden und den Handel wandle sich derzeit grundlegend. „Gerade in Zeiten, in denen immer mehr online eingekauft wird, aber auch viel private Kommunikation nicht mehr persönlich, sondern übers Smartphone läuft, wird das Einkaufszentrum als Ort der Begegnung immer wichtiger“, meint Wild. Nicht nur für Kunden, auch für Handel und Hersteller. Für sie sei es der Platz, um mit den Konsumenten direkt in Kontakt zu kommen, ihre Produkte zu „inszenieren“. Nicht zufällig plane zuletzt selbst der Online-Gigant Amazon eigene Shops. „Der stationäre Handel gewinnt damit sogar zusätzlich an Bedeutung“, ist Wild überzeugt. Ein Hersteller oder Händler brauche zwar nicht mehr so viele Standorte, um seine Kunden zu erreichen. „Diese Standorte braucht er aber umso dringender.“
Verändert habe sich daher auch der Mietermix im Einkaufszentrum, sagt SES-Chef Wild. Die SES Gruppe setzte im Vorjahr in österreichweit 18 Einkaufszentren (darunter Europark Salzburg, Weberzeile Ried/I. oder huma eleven in Wien-Simmering) 1,7 Mrd. Euro um, ein Plus von 6,2 Prozent. Auch im Ausland betreibt die Spar-Tochter zwölf Shopping-Malls. Der klassische Händler mit vielen verschiedenen Marken verschwinde zunehmend. Dafür
„Der Kontakt zum Kunden ist wichtig.“
seien Marken-Stores – ob für Sportbekleidung, Mode, Spielzeug oder Elektronik – stark im Kommen. „Waren früher etwa die Hälfte unserer Mieter Mono-Brand-Stores sind es heute mehr als 80 Prozent“, sagt Wild.
Für den Markenhersteller mit eigenen Stores sei es letztlich unerheblich, ob er die Ware im Geschäft verkaufe oder dort nur Beratung leiste und Kunden überzeuge. „Die Zukunft lautet nicht online oder stationär, sondern Multichanneling.“Noch vor dem Umsatz werde die Frequenz die wichtigste Kennzahl für Einkaufszentren.
Dementsprechend gestiegen ist der Gastronomie-Anteil. Nahmen Restaurants, Cafés oder Spezialitätenanbieter früher sechs Prozent des Platzes in einer Shopping-Mall ein, seien es heute meist bereits mehr als zehn Prozent.
„Der Trend, mit Freizeitangeboten und Kulinarik Kunden anzulocken, ist wichtig“, meint auch Handelsforscher Richter. „Bei schlechtem Mix kann das aber auch kippen, dann kommen die Leute nur noch zum Bummeln und stören die Einkäufer.“Dass in Zeiten des zunehmenden Online-Handels gerade Markenartikler wieder auf eigene Geschäfte setzten, stimme. „Emotion kann man nicht über Internet herstellen.“Allerdings gelte das nur für Toplagen. „Die Einkaufszentren haben hier eine wichtige Schlüsselposition – allerdings nicht wichtiger als gute Einkaufstraßen und lebendige Ortszentren.“