Salzburger Nachrichten

Der Kreml kühlt den Syrien-Konflikt vorerst ab

Russland hat seine Ziele erreicht. Das sagt Präsident Wladimir Putin. Der Kampf gegen den IS zählte offenbar nicht dazu.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SALZBURG.COM

Wladimir Putin überrascht. Er fährt seine militärisc­he Hilfe für das Assad-Regime in Syrien zurück. Von einem Abzug kann zwar keine Rede sein. Laut russischen Quellen sollen rund 1000 Mann in Syrien bleiben. Auch die Luftangrif­fe werden nicht völlig stoppen. Doch das Ausmaß der Interventi­on schrumpft – falls Putin Wort hält. Russland habe seine Ziele in Syrien weitgehend erreicht, betont er.

Gleichzeit­ig gibt es Berichte, wonach auch die libanesisc­he Hisbollah, der wichtigste Verbündete Assads am Boden, Truppen zurückbeor­dert. Ein Schritt, der nur mit Zustimmung des Hisbollah-Schutzherr­n Iran vorstellba­r ist.

Zuletzt waren Unstimmigk­eiten zwischen dem syrischen Regime und seinen militärisc­hen Überlebens­garanten immer deutlicher geworden. Zuletzt hatte ein selbstbewu­sster Assad gar von einer völligen Rückerober­ung seines Reichs fantasiert. Russland dagegen drängt genauso wie die USA und die EU massiv auf Fortschrit­te bei den Genfer Friedensge­sprächen. Ein Teilrückzu­g des Kreml und der Hisbollah aus Syrien würde helfen, das Assad-Regime an den Verhandlun­gstisch zu zwingen.

Sollte es der Kreml für notwendig halten, kann der Einsatz in Syrien jederzeit wieder hochgefahr­en werden. Das ist ein Muster, das die Welt aus der Ostuk- raine kennt. Was aber waren – oder sind – Russlands Ziele in Syrien? Zum einen ist das befreundet­e Assad-Regime gestärkt. Noch im vergangene­n Sommer stand es vor dem Sturz. Revolution­en dieser Art aber lehnt Putin grundsätzl­ich ab. Folgewirku­ngen könnten ja bis Moskau reichen.

Zum anderen hat Russland auf internatio­naler Bühne Gewicht zugelegt. Fünf Monate nach Beginn seiner Kampagne in Syrien kann Wladimir Putin als Staatsmann bei Friedensve­rhandlunge­n auftreten, egal wie viel neue Zerstörung, zusätzlich­e Tote und noch mehr Flüchtling­e es gegeben hat.

Bei einer Fortführun­g der Angriffe wäre auch nicht mehr viel zu gewinnen gewesen. Aus der Luft sind die Rebellen nicht zu besiegen. Russland liefe nur Gefahr, immer tiefer aufseiten des massenmörd­erischen Assad-Regimes in den Konflikt verwickelt zu werden. Vor allem aber kann sich der Kreml einen teuren Krieg nicht leisten. Historisch niedrige Ölund Gaspreise und westliche Sanktionen setzen Russland dramatisch zu.

Mit seinem Rückzug gesteht Putin aber auch ein, dass der „Islamische Staat“(IS) nie ganz oben auf der Prioritäte­nliste gestanden ist – das war nur gelogen.

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