Russland behält Lufthoheit über syrischem Territorium
Die radikalen Rebellen aber bezeichnen Wladimir Putins Teilrückzug aus Syrien als „bedeutungslos“.
Auch nach dem angekündigten Abzug russischer Streitkräfte bleibt die Lufthoheit über Syrien eine Angelegenheit Moskaus. Zudem sollen rund 1000 Mann auf den beiden russischen Stützpunkten stationiert bleiben. Dazu kommen schweres Gerät wie Abwehrraketen und Panzer. Trotz- dem ist der Teilrückzug ein schwerer Schlag für das Assad-Regime. Sollte Moskau tatsächlich seine tägliche Militärunterstützung einstellen, wäre ein weiteres Zurückdrängen der Rebellen unmöglich. Das Regime hat angesichts seiner Stärkung bislang ernsthafte Verhandlungen verweigert.
Die ersten SU-34-Kampfjets wurden am Dienstag auf ihrem Heimatflughafen Woronesch feierlich von Luftwaffenchef Viktor Bondarjew empfangen. Wie viele Flugzeuge tatsächlich Syrien verlassen werden, ist aber unklar. Russland zieht sich aus Syrien ähnlich zurück, wie es im September gekommen war. Schon damals gab es Wochen vor dem offiziellen Start der Luftoperation zahlreiche Presseberichte über Militärberater und Kampfpiloten, die die wankenden Truppen von Baschar al-Assad unterstützten. Jetzt ist davon die Rede, dass von 4000 russischen Militärs 1000 in Syrien bleiben. Das entspricht in etwa der Zahl der im Irak und Ostsyrien stationierten US-Truppen. Wladimir Putin erklärte, die Militärbasen in Tartus und bei Latakia würden weiter „funktionieren“und „zu Land und Wasser wie aus der Luft“geschützt werden. „Gehen, um zu bleiben“, titelt die Internetzeitung gazeta.ru zu dem Abzug.
Nach Erkenntnissen des vom Moskauer Verteidigungsministerium auf dem Laufenden gehaltenen Twitterers „Kuryer“werden mindestens zehn Kampfhubschrauber und bis zu 20 Mehrzweckkampfflugzeuge startbereit bleiben. Die Luftherrschaft Russlands wird jedenfalls gewahrt. Auf syrischem Territorium würden zudem mehrere Batterien mit S-400-Boden-LuftRaketen und bis zu 300 Schützenpanzerwagen und T-90-Panzer bleiben.
Laut Putin hat die russische Streitmacht ihre Aufgabe erfüllt. Verteidigungsminister Sergei Schoigu rapportierte, man habe 2000 Terroristen, darunter 17 Feldkom- mandeure aus Russland, getötet. Der „Islamische Staat“wurde nicht erwähnt. Der Syrien-Experte Alexander Schumilin verweist darauf, dass der IS unter den russischen Bombardements viel weniger gelitten habe als die Kämpfer der Opposition gegen Assad. „Russland hat ganz andere Strategien verfolgt als öffentlich propagiert.“Es sei gelungen, das Hauptziel zu erreichen: Assads Überleben zu sichern und sei- ne Verhandlungsposition zu stärken. Viele Beobachter in Moskau vermuten, Putin wolle mit dem Teilrückzug Assads kriegerischen Eifer abkühlen, damit er die in Genf gestarteten Friedensgespräche nicht wieder durch massive Brüche des Waffenstillstands platzen lässt.
Der Politologe Arkadi Dubnow vermutete, der Kreml habe mit den USA ausgehandelt, im Gegenzug für einen Abzug seiner Hauptkräfte die syrischen Basen behalten zu dürfen. Außerdem könnten die USA darauf verzichtet haben, den Rebellen hochmoderne Waffen zu liefern, die russische Jets und Panzer gefährdet hätten.
Die Moskauer Medien feiern einen Sieg. So beschwört die Nachrichtenagentur RIA Nowosti das Ende der Ukraine-Sanktionen gegen Russland. Und die Zeitung „Moskowski Komsomolze“schreibt: „Der Präsident hat der Welt erneut seine Fähigkeit demonstriert, ungewöhnliche und alle erstaunende Entscheidungen zu fällen.“
Sprecher der syrischen Opposition reagierten mit einer Mischung aus Hohn und Misstrauen. „Wir wissen nicht, was in seinem Kopf vorgeht“, twitterte Salim al-Muslat vom „Hohen Verhandlungskomitee“. Sollte es Russland mit seinem Rückzug wider Erwarten ernst meinen, könnte dies die Gespräche positiv beeinflussen.
Radikalislamische Rebellengruppen bezeichneten Putins Entschluss als „bedeutungslos“. Ein Sprecher der Nusra-Front kündigte eine „Großoffensive in den nächsten 48 Stunden“an.
Ohne massive russische Luftunterstützung dürfte es den Regimetruppen jedenfalls nicht gelingen, die Rebellen weiter zurückzudrängen. Umgekehrt dürften auch die Gegner des Regimes zu geschwächt sein, um verlorenes Gebiet zurückzugewinnen. Damit ist die Lage in etwas so, wie sie 2014 bereits war. Diplomaten gehen davon aus, dass Russland bereit sein könnte, Baschar al-Assad fallen zu lassen, wenn Moskaus Interessen gewahrt bleiben.