Schutzgeld oder Wirbel im Lokal
MARIAN SMETANA WIEN. Schlägereien, Schutzgelderpressungen, Diebstahl. Immer wieder ist von einer Zunahme der organisierten Kriminalität in der österreichischen Bundeshauptstadt zu lesen.
Vor allem gebürtige Tschetschenen, Afghanen und Bürger aus den Balkanländern und Maghrebstaaten bereiten der Polizei zunehmend Kopfzerbrechen. Die Ermittlungen in diesen Milieus sind schwierig. Weshalb die Wiener Polizei in der jüngeren Vergangenheit Spezialeinheiten gebildet hat. „Seit Mitte 2014 haben wir eine eigene Ermittlungsgruppe, die sich speziell mit Bandenkriminalität beschäftigt“, erklärt Robert Klug vom Landeskriminalamt. Im Fokus seien bisher vor allem russische Staatsbürger gestanden.
Neu sei, dass auch immer mehr Afghanen unter den Verdächtigen seien. Beobachter der Szene vermuten, dass aktuell junge Asylbewerber gezielt von kriminellen Gruppen angeworben werden. Bestätigen will die Polizei das nicht. „Wir stehen in diesem Bereich noch am Beginn der Ermittlungen“, erklärte Klug.
Die Massenschlägerei mit mehreren Schwerverletzten am 5. März vor einem Wiener Jugendzentrum zwischen Afghanen und Tschetschenen wird von der Polizei allerdings nicht unter Bandenkriminalität verbucht. Laut Ermittlern ging es dabei um eine persönliche Streiterei. „Weil einer der Kontrahenten die Mutter des anderen im Internet beschimpfte, kam es zu der Schlägerei.“Es handle sich dabei aber nicht um Jugendbanden, sondern eher um Gruppen, die aneinandergeraten waren. „Die Jugendlichen treiben sich oft mehr im Park herum als in der Schule“, sagt Ermittler Erwin Rieder. Seinen Aussagen nach kontrollierten die Eltern den Schulbesuch meistens nicht. „Da- mit beginnt ein Teufelskreis.“Keine Bildung, keine Arbeit, kein Einkommen. Ein idealer Nährboden für eine kriminelle Karriere.
Zwischen tschetschenischen und afghanischen Jugendlichen gebe es jedenfalls „keine grundsätzliche Rivalität“, ergänzt Rieder. Man beobachte auch Freundschaften.
Die Ursache, dass der Streit zwischen den Gruppierungen Anfang März derart eskaliert ist, liegt für Rieder im „Ehrbegriff“. Bei beiden „Wir wissen, dass das passiert, tun uns aber bei den Ermittlungen schwer“, erklärt Rieder. Die meisten Opfer würden aus Angst nicht zur Polizei gehen.
Laut Beobachtern der Szene sollen vor allem Lokale in den Wiener Randbezirken erpresst werden. Bei Nichtbezahlung des Schutzgeldes soll es dann immer wieder zu Problemen und Schlägereien bis hin zu Schießereien kommen. Vor allem eine tschetschenische Bande, aber auch Leute vom Westbalkan sollen an den Erpressungen beteiligt sein.
Die Polizeibeamten, die täglich mit kriminellen Jugendlichen zu tun haben, appellieren auch an die Politik, die Integration stärker voranzutreiben. „Die Bereitschaft dazu ist leider bei manchen Jugendlichen nicht gegeben“, sagt der Ermittler Rieder.