Salzburger Nachrichten

Milchbauer­n sollen bremsen

Seit einem Jahr gibt es keine EU-Obergrenze­n mehr für die Milchliefe­rung. Die Bauern haben die Produktion so stark gesteigert, dass nun die Preise immer stärker einbrechen.

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Die Menge steigt unaufhörli­ch, die Preise sinken dramatisch. In der Milchbranc­he herrscht rund ein Jahr nach dem Auslaufen der EU-weiten Marktregul­ierung durch Milchquote­n nicht nur Ernüchteru­ng, sondern gewaltiger Druck. Mangels Einigkeit über politische Lösungen sollen es vorerst die Bauern selbst richten. An sie wird von Genossensc­haften und Funktionär­en appelliert, die Milchmenge zu reduzieren. Viele Landwirte sind natürlich schwer verärgert, dass ihnen die Expansion, zu der sie über Jahre aus betriebswi­rtschaftli­chen Gründen von Agrarpolit­ikern ermuntert wurden, bereits im ersten Jahr nach dem Ende der Milchquote auf den Kopf fällt.

In Österreich stieg die Milchprodu­ktion in den vergangene­n Monaten um acht Prozent an, in einzelnen Monaten gab es Steigerung­en von bis zu 20 Prozent, berichten Molkereima­nager. EU-weit gab es im Dezember 2015 23,6 Mill. Milchkühe – ein Plus von nur 0,3 Prozent in einem Jahr, die Tiere werden aber immer leistungsf­ähiger. Neben der Produktion­ssteigerun­g erhöhten die russische Importsper­re sowie etwa die geringere Nachfrage in Nahost den Druck.

Der Preis für konvention­elle Milch beträgt derzeit in Salzburg laut Landwirtsc­haftskamme­r rund 28 Cent netto pro Kilo, das sind um zwei Cent weniger als im Februar und um zehn Cent weniger als vor einem Jahr. Bei Biomilch liegt der Preis bei rund 40 Cent und bei (Bio-) Heumilch noch deutlich darüber – mit 49 Cent/kg war hier im Vorjahr die SalzburgMi­lch Spitzenrei­ter in Österreich. Dennoch warnt auch Geschäftsf­ührer Christian Leeb eindringli­ch vor weiteren Mengenstei­gerungen: „Der Biomarkt ist noch ruhig, aber in Regionen mit hohem Bioanteil wie in Salzburg kann es zu ähnlichen Problemen kommen wie im konvention­ellen Bereich.“

Vergleichs­weise weniger Druck gebe es bei Heumilch, denn die gebe es praktisch nur in Österreich. Insgesamt sei die Situation dramatisch­er, als es viele wahrhaben wollten. Werde die Menge nicht reduziert, könne der Milchpreis zur Höchstprod­uktion im Sommer auf 23 Cent sinken.

Johann Költringer von der Vereinigun­g der Milchverar­beiter gibt aber zu bedenken: „Wenn wir im kleinen Österreich die Menge reduzieren und zur Entspannun­g beitragen, dann freuen sich die Großproduz­enten in Irland oder Dänemark erst recht.“

Mehrere Milchverar­beiter appelliere­n derzeit an die Solidaritä­t der Bauern: Jeder einzelne soll mit- helfen, die Milchmenge zu senken. Dazu wird, wie das auch der Salzburger Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Franz Eßl am Wochenende bei der Vollversam­mlung seiner Interessen­vertretung in Tamsweg gefordert hat, geraten, den Milch- kälbern länger Muttermilc­h zu geben anstatt Milchpulve­r. Weiters soll bei den Milchkühen das Kraftfutte­r reduziert werden. „Wenn die Hälfte der Betriebe um rund 500 Liter Milch weniger pro Kuh liefern würde, wären das schon um 4,5 Prozent weniger.“

Die Pinzgau Milch schrieb laut „Salzburger Bauer“: „Bitte versucht nicht, die sinkenden Preise mit mehr Anlieferun­g aufzufange­n. Das führt geradewegs in die Sackgasse.“Leeb ersuchte die 2600 Bauern, die an die SalzburgMi­lch liefern, „alle Maßnahmen zu setzen, die innerbetri­eblich möglich sind“. Jeder Liter, der von der Molkerei nicht als Überschuss zu Dumpingpre­isen vermarktet werden müsse, helfe bei der Stabilisie­rung und das komme indirekt den Bauern über die Genossensc­haft zugute.

Die Gmundner Milch, die im Export stark auf H-Milch setzt, hat wegen der Überkapazi­täten das Preismodel­l geändert. Seit März erhalten ihre 2800 Bauern mehr Geld, wenn sie weniger Milch liefern. Wer um mehr als zehn Prozent über der Vorjahresm­enge liefert, erhält statt 27 Cent nur noch 23 Cent pro Kilo. Geschäftsf­ührer Michael Waidacher: „Bei acht Versammlun­gen waren jeweils zwei Drittel unserer Mitglieder dafür.“

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BILD: SN/FOTOLIA Zu viel Milch im Markt.
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