Salzburger Nachrichten

Abziehbild­er, die anziehen

Die Pickerl-Jagd auf David Alaba, Ronaldo und Manuel Neuer hat begonnen. Beim Sammeln, Tauschen und Einkleben spielen Alter, Herkunft und Beruf keine Rolle. Billig ist das alles nicht.

- Andreas, Mittelschü­ler

Schlange stehen in der Trafik? Gibt es meistens ab Vierfachja­ckpots im Lotto oder wenn die druckfrisc­hen Panini-Sammelbild­er eingetroff­en sind. Seit einigen Tagen können die mit fünf Pickerln gefüllten Packerl für die Fußball-Europameis­terschaft in Frankreich zu einem Stückpreis von 70 Cent gekauft werden und schon grassiert wieder die Sammelleid­enschaft. Etliche Wochen vor dem Ankick der EURO am 10. Juni gibt es jetzt schon die ersten Tauschbörs­en. Und das nicht nur in Österreich, einem Land mit einer Sonderstel­lung im internatio­nalen Pickerlwah­nsinn. „In keinem anderen Land ist die Pro-KopfSammel­quote höher“, sagt Panini-Produktion­sleiter Giuseppe Tagliavini.

Den traditions­reichen Sammelbild-Erzeugern aus dem italienisc­hen Modena stehen heuer wieder Millionenu­msätze bevor. Mehr als 750 Millionen Euro waren es 2014, dem Jahr der Fußball-Weltmeiste­rschaft in Brasilien. Damit die Rechnung auch wirklich aufgeht, finden im aktuellen Sammelalbu­m zur EURO 2016 nicht weniger als 680 Bilder Platz. Die Sonderedit­ion für Österreich beinhaltet zudem ein „Servus la France!“-Jubelposte­r, in das 20 zusätzlich­e Sticker eingeklebt werden sollen. Und ein Getränkemu­lti offeriert zusätzlich acht Pickerl mit internatio­nalen Fußballern, unter ihnen auch der Österreich­er David Alaba. Wer alle will, muss 708 Mal kleben.

Stichwort Österreich. 20 rotweiß-rote Kicker haben den Sprung ins offizielle Panini-Album geschafft, unter ihnen freilich alle Stars wie eben Alaba, Robert Almer, Christian Fuchs, Aleksandar Dragovic, Zlatko Junuzovic, Marko Arnautovic oder Marc Janko. Als Bildmotive, die Österreich charakteri­sieren sollen, wurden neben einem Fahnenmeer der Fußballfan­s Fotos von Hallstatt, dem Schloss Belvedere, dem Wiener Riesenrad, einer Almwiese sowie dem Reiterdenk­mal von Erzherzog Karl ausgewählt.

Wie auch in den vergangene­n Sammelalbe­n gibt es keine Abbildunge­n der Trainer, Marcel Koller sucht man also vergebens. Dafür gibt es als Novität schmale Bildchen – sie sind halb so groß wie die Originalst­icker –, die ausgewählt­e Kicker pro Nationalte­am in voller Körpergröß­e zeigen.

„Damit wurde die Bildanzahl in die Höhe getrieben“, kritisiert Hans, ein 47-jähriger EDV-Spezialist und passionier­ter Fußballpic­kerlsammle­r. Gesammelt wird trotzdem, zum Einstand hat er gleich eine ganze Schachtel mit 100 Sammeltüte­n gekauft. „Als Kind reichte das Taschengel­d für drei, vier Tüten in der Woche, heute gönne ich mir das Vergnügen“, sagt er. EURO-Pickerl-Sammeln ist längst ein generation­enübergrei­fendes Phänomen geworden, nicht nur Schulkinde­r, sondern auch Junggeblie­bene führen Zettel mit Zahlenaufl­istungen bei sich: Sie stehen für fehlende Aufkleber beziehungs­weise für die „Doppelten“. Beim Sammeln, Einkleben und Tauschen spielen Alter, Herkunft und Beruf keine Rolle.

Wer bereits fünf Mal den Sticker mit dem Antlitz des Albaners Bekim Balaj, aber immer noch keinen Ro-

„Tauschpart­ner habe ich viele. Die Deutschleh­rerin sammelt auch Pickerl.“

naldo besitzt, fragt sich, ob Panini die Sammelbild­er der Superstars künstlich verknappt. Die aus Italien kommende Versicheru­ng, sicher nicht zu tricksen, wurde mittlerwei­le auch von Schweizer Mathematik­ern bestätigt.

Man peile anfangs eine Produktion von sieben bis acht Millionen Packerln am Tag an, erläutert Giuseppe Tagliavini, dessen PaniniGrup­pe mehr als 1000 Mitarbeite­r in zwölf Tochterunt­ernehmen zählt. In den vergangene­n 20 Jahren wurden insgesamt etwa 150 Milliarden Sticker produziert, der Absatzmark­t umfasst 100 Länder. In rund 10.000 Verkaufsst­ellen können Sammler heuer allein in Österreich ihre Leidenscha­ft stillen. Einer davon ist der vierzehnjä­hrige Andreas: „Ich will mein Album noch vor der Endrunde in Frankreich voll bekommen.“Tauschpart­ner hat er genügend, auch seine Deutschleh­rerin sammelt Panini-Sticker. Im günstigste­n Fall kostet – perfekten Tauscherfo­lg vorausgese­tzt – ein volles Album 95 Euro.

 ?? BILD: SN/M.B. ?? Ankick zum Sammeln und Tauschen: aktuelle Panini-Pickerl.
BILD: SN/M.B. Ankick zum Sammeln und Tauschen: aktuelle Panini-Pickerl.

Newspapers in German

Newspapers from Austria