Salzburger Nachrichten

Unternehme­nspleiten steigen weiter an

Holdingges­ellschafte­n verzerren mit hohen Passiva das Bild. Doch Experten sind besorgt über immer mehr betroffene Mitarbeite­r.

- Hwk

Die Zahl der Firmenplei­ten in Österreich steigt weiter. Im ersten Quartal 2016 wurde in 850 Fällen die Insolvenz eingeleite­t, ein Plus von 12 Prozent gegenüber dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Die Gesamtinso­lvenzen stiegen in den ersten drei Monaten um sieben Prozent auf 1356 (nach 1269) Fälle. Viel stärker fiel der Anstieg der geschätzte­n Insolvenzv­erbindlich­keiten aus: Mit 1,2 Mrd. Euro vervierfac­hten sie sich gegenüber 319 Mill. Euro des Vergleichs­quartals beinahe (+280 Prozent).

Doch dieser Anstieg der Passiva sei weniger spektakulä­r, als er aussehe, stellt der Kreditschu­tzverband (KSV) von 1870 fest. Er sei nämlich der Pleite zweier reiner Holdingges­ellschafte­n geschuldet, die das Gesamtbild verzerrten. Auf die Firmen Activ Solar und Slav Handel entfallen knapp 781 Mill. Euro, fast zwei Drittel der Gesamtverb­indlichkei­ten. Beide seien vor allem bei ukrainisch­en Banken verschulde­t, dabei gehe es auch um eingefrore­nes Vermögen. Für den KSV handelt es sich daher um „keine typischen österreich­ischen Plei- ten“. Dahinter folgt mit Verbindlic­hkeiten von 36,6 Mill. Euro die Steirerfru­cht-Firmengrup­pe.

Mehr Sorgen macht dem KSV-Insolvenze­xperten Hans-Georg Kantner die Zunahme der von Firmeninso­lvenzen betroffene­n Mitarbeite­r. Bis Ende März waren 6200 Dienstnehm­er von Insolvenze­n betroffen, das waren um 38 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Im Bundesländ­er-Vergleich ergibt sich ein uneinheitl­iches Bild. Kräftige Zuwächse der Insolvenzf­älle in Salzburg (+65 Prozent) und Tirol (+37 Prozent) begründet der KSV größtentei­ls mit „Auf- und Nachholeff­ekten“. In Salzburg ging es vor allem um kleine und kleinste Firmen, daher sanken die Passiva in Summe von 30 auf 13 Mill. Euro. Deutlich weniger Firmenplei­ten gab es bis März in Kärnten, dem Burgenland und Niederöste­rreich.

Erfreulich findet Kantner, dass die Zahl der nicht eröffneten Insolvenzv­erfahren mit 506 nach 510 Fällen weiter tief bleibt. Die Insolvenze­röffnung bedeute meist das Ende jahrelange­n Siechtums und biete Chance auf eine Sanierung.

Einen Rückgang der Firmenplei­ten sieht Kantner mittelfris­tig nicht. „Doch ist auch ein eklatanter Anstieg unwahrsche­inlich“, fügt er hinzu. Dank der niedrigen Zinsen könnten sich viele überschuld­ete Unternehme­n gerade noch auf dem Markt halten. „Spätestens wenn die Zinsen steigen, werden diese Firmen das Handtuch werfen müssen.“Gerhard Weinhofer vom Verband Creditrefo­rm sieht vorerst keine generelle Verschlech­terung der Wirtschaft­slage. Zwei Drittel der Firmenplei­ten gingen unveränder­t auf Management­fehler zurück.

Die Anzahl der Privatkonk­urse war im ersten Quartal leicht rückläufig. 2118 eröffnete Schuldenre­gulierungs­verfahren bedeuten ein Minus von 2,8 Prozent, die Insolvenzv­erbindlich­keiten sanken um 4,2 Prozent auf 229 Mill. Euro. Freilich sei das erste Quartal wegen zahlreiche­r Feiertage nicht besonders aussagekrä­ftig.

„Vorerst kein Rückgang der Insolvenze­n.“

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Hans-Georg Kantner, KSV-Experte

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