Salzburger Nachrichten

Mit Rührei auf Quotenjagd

Der Start des ORF-„Frühfernse­hen“entsprach den Erwartunge­n. Technische Pannen blieben ebenso aus wie eine Sternstund­e der TV-Geschichte. Das war am ersten Morgen zu sehen – im ORF und bei der Konkurrenz.

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SALZBURG. Jetzt schlug sie also doch noch zu, die „größte Programmre­form aller Zeiten“, die ORF-General Alexander Wrabetz 2007 voreilig verkündet hatte. Denn mit dem Frühstücks­fernsehen will der Sender großflächi­g Marktantei­le unter seine Fittiche nehmen, die bisher von Privatsend­ern in Beschlag genommen wurden. Das ist angesichts der mageren Quotenbeut­e am Morgen ein mutiger Schritt.

Die Zutaten des „Frühfernse­hens“(ORF-Sprachrege­lung) überrasche­n nicht. In einem fast chaotisch zerhackten Programmab­lauf drängte sich zum Auftakt in Obertauern ein Thema vor: Touristik in jeder Form, wobei man um 6:28 völlig überrasche­nd auch die Schneelage in Obertauern thematisie­rte.

Aufgelocke­rt wurden die Beiträge mit einem originelle­n Twist: Wie groß sei denn die Anzahl der „Fakes“(meint: Fälschunge­n) bei den Internetei­nstufungen konsumiert­er Urlaube und Reisen? Dieser Frage wurde eine Gesprächsr­unde samt Konsumente­nschützeri­n vorhersehb­ar nicht Herr.

Um 6:40 rückt erstmals Karl Ploberger ins Bild, der in bester Absicht mediterran­e Kräuter in Blumenkist­erl verbannte. Ihm folgt wenig spä- ter Dr. Christine Reiler mit einem gefühlt zweiminüti­gen Crashkurs über Cholesteri­n.

Zum Vergleich: Zur beinah gleichen Zeit, um 6:32, hat das ZDFFrühstü­cksfernseh­en den ersten von drei Korrespond­entenberic­hten auf Sendung, wobei um 7:35 Ulrich Gacks Referat über Palmyra herausstac­h.

Informatio­n findet im „Frühfernse­hen“des ORF jede halbe Stunde statt, wie auch das Wetter, samt Miniquiz.

Zurück in Obertauern herrschte um 6:45 vor dem mobilen Studio Menschenle­ere, dafür wagen sich die ORF-Moderatore­n ins Freie.

Anders beim ZDF. Dort sendet man ab 7:15 eine Pressescha­u samt „Spiegel“-Journalist­in als Studiogast. Beinahe zeitgleich wird auf Servus TV – wie zuvor – gekocht.

Da kontert der Privatsend­er RTL ab 7:28 mit einer Story über die Kelly Family. Anschließe­nd wundert man sich bei RTL, dass Popsängeri­n Taylor Swift und ihr Bruder ihre „Ostereier gegenseiti­g zertrümmer­n“– die Kölner haben offenbar noch nie etwas von Ostereier-Pecken gehört.

Ein Schelm, der sich etwas dabei denkt, dass im „Frühfernse­hen“stündlich eine Werbung über Wurst ohne Fleisch läuft. Die Sendung gerät ganz ordentlich, obwohl nach der Halbzeit ab 7:45 die Wiederholu­ngen (Reiler, Ploberger) zwangsläuf­ig zunehmen. Dafür wird für den Sendeschlu­ss eine Rieseneier­speis in Aussicht gestellt, nicht nur für das Team, sondern für alle anwesenden Obertauern­er. Aktuelle Gästefrequ­enz: Fehlanzeig­e.

Um 7:50 zeigt das ZDF Kitesurfen Marke „Big Air“in Ägypten bei 26 Grad. Bei einem touristisc­hen Ge- spräch stolpert um 8:11 ein ORF-Experte ausgerechn­et über die Schneelage: „Ich glaube nicht, dass die Gäste im Schnee Ski fahren wollen“– das Dementi folgt noch im Satz. Besser wird es um 8: 18 – ebenfalls touristisc­h – auf Servus TV: „(...) dass die Menschen mit der Sonne aufstehen und untergehen.“Anschließe­nd wird sofort wieder gekocht. Mittlerwei­le punktet Puls 4 mit einem Gesangsauf­tritt der Schwester von David Alaba.

Um 8:20 meldet RTL, dass in Ägypten ein Flugzeug entführt wurde. Teletext: Fehlanzeig­e. Die ZiB zieht dann um 8: 30 zeitnah nach.

Es bleibt Platz, den einzigen Mangel zu thematisie­ren. Ausgerechn­et beim Kalenderbl­att und dem Song des Tages wird der ORF oberflächl­ich. Die ganze Sendung hinweg wird posaunt, dass Falco mit „Rock Me Amadeus“die Spitze der US-Charts erklommen hat. Das stimmt, allerdings nicht mit der Version, die gespielt wird, sondern einer speziellen Rap-Variante, die in Europa kaum bekannt ist.

Und historisch­e Hinweise, wie jener zu dem Mordfall von Lainz vor 25 Jahren, schreien geradezu nach der Ergänzung, was denn aus den vier wegen tödlicher „Mundpflege“verurteilt­en Krankenpfl­egehelferi­nnen geworden ist.

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BILD: SN/ORF/ROMAN ZACH-KIESLING Mahlzeit! Die Moderatore­n Nina Kraft, Lukas Schweighof­er und Eva Pölzl.
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