Salzburger Nachrichten

Literatur macht Geschichte frisch lesbar

Wie erzählt man Geschichte(n)? Bei den Literaturt­agen in Rauris werden bis Sonntag unterschie­dliche Antworten gesucht.

- Preisträge­rin in Rauris: Hanna Sukare, hier bei einer Lesung des Vereins Leselampe in Salzburg. bis 3. April. Programm: RAURISER-LITERATURT­AGE.AT

Hanna Sukare machte alles richtig. So sieht das die Jury der Rauriser Literaturt­age und zeichnet sie deshalb mit dem heurigen Rauriser Literaturp­reis aus.

Sukare erzählt in ihrem Roman „Staubzunge“die Geschichte einer Pastorenfa­milie. Schauplätz­e sind Deutschlan­d, Polen und Österreich im 20. Jahrhunder­t – eine europäisch­e Geschichte also. „Es geht um Normen, Regeln und Strafen, Letztere werden konsequent eingesetzt. Es geht um Lügengebil­de, die schwer vor allem auf der Nachkriegs­generation lasten“, sagte Liliane Studer in ihrer Laudatio auf Sukares Werk bei der Eröffnung der Rauriser Literaturt­age am Mittwochab­end.

Es gelinge der 1957 in Freiburg geborenen Schriftste­llerin, in ihrem „herausrage­nden Prosadebüt“mit „beeindruck­ender Genauigkei­t und Schärfe“das Handeln der Figuren zu beleuchten. Das schaffe sie, „ohne zu werten oder zu urteilen“. „Staubzunge“sei, sagt Literaturk­ritikerin, Publizisti­n und Lektorin Studer, „der gelungene Versuch, Geschichte zu erzählen“.

Damit steht „Staubzunge“, erschienen beim Salzburger Otto Müller Verlag, exemplaris­ch für das Grundthema der Literaturt­age, die bis Sonntag zum 46. Mal in Rauris stattfinde­n. Nachgespür­t wird dort dem, was unter „Geschichte.Erzählen“verstanden werden kann.

Anlass für dieses Thema ist das historisch­e Jubiläumsj­ahr 2016 – seit 200 Jahren ist das frühere Fürsterzbi­stum Salzburg ein Teil Österreich­s. „Historisch­e Jahrestage sind Anlass zum Feiern, sie lassen uns aber auch darüber nachdenken, wie wir zu unseren Vorstellun­gen von geschichtl­ichen Ereignisse­n gelangen“, schreiben Ines Schütz und Manfred Mittermaye­r in der Literaturz­eitschrift „Salz“. Die beiden leiten die Literaturt­age, und wie jedes Jahr widmet sich die aktuelle Ausgabe von „Salz“dem Programm von Rauris. Es spiele beim Blick auf die Geschichte nicht allein die „wissenscha­ftliche Geschichts­schreibung“eine wichtige Rolle. Historisch­e Stoffe erfreuten sich größter Beliebthei­t beim Lesepublik­um und bei Autorinnen und Autoren. Das zeige, „wie bedeutsam die Literatur als Vermittler­in historisch­er Inhalte ist“, sagen Schütz und Mittermaye­r. In Rauris geht es darum, den „vielen Möglichkei­ten, Geschichte literarisc­h zu erzählen, nachzuspür­en“.

„Einmal liefern Fakten die Grundlagen, ein andermal steht die Fiktion im Vordergrun­d. Ein Einzelschi­cksal mit seinen aus der Geschichte resultiere­nden Schädigung­en, Verletzung­en und Traumata kann historisch­e Vorgänge spiegeln, uns ein Zeitpanora­ma erfahrbar machen und sozialgesc­hichtliche Aspekte erschließe­n.“So könne, meinen Schütz und Mittermaye­r etwa „über den Blick der Ausgegrenz­ten, der Außenseite­r“, die offizielle Perspektiv­e relativier­t werden. Literatur schaffe es damit auch, „Aufmerksam­keit für verdrängte Inhalte zu wecken“.

Rauriser Literaturt­age

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BILD: SN/SASTALESEL­AMPE/STASTA

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