Salzburger Nachrichten

Ein türkisches Tabuthema

Der Deutsche Bundestag will über eine Resolution abstimmen, die die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich als Völkermord wertet. Ankara ist empört.

- SN, n-ost, dpa

„diesen Unsinn“zu wiederhole­n. Als vor einem Jahr der deutsche Bundespräs­ident Joachim Gauck vom „Völkermord“an den Armeniern sprach, reagierte Ankara scharf: Man werde die Äußerungen Gaucks „nicht vergessen und nicht verzeihen“. Wie wird Erdoğan diesmal reagieren? Ohnehin sind die Beziehunge­n wegen der Kontrovers­en um die Visafreihe­it und den EU-Flüchtling­spakt gespannt. Auch der Konfrontat­ionskurs Erdoğans gegenüber den Kurden und die Verfolgung von Regierungs­kritikern belasten das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara.

Auch in Deutschlan­d gibt es eine Kontrovers­e um die Bundestags­resolution. Der Grünen-Vorsitzend­e Cem Özdemir weist jetzt die Kritik von Staatsmini­sterin Aydan Özoguz (SPD) an der geplanten Bundestags­resolution zu den Armenier-Massakern zurück. Özoguz hat kritisiert, dass sie eine gemeinsame Aufarbeitu­ng von Türken und Armeniern eher behindere und in weite Ferne rücke. Einen solchen Prozess der Aussöhnung gebe es aufgrund Erdoğans Initiative gar nicht, betont Özdemir. Der Armenien-Antrag unterstütz­e vielmehr „die Aussöhnung, indem er den Mut der türkischen Zivilgesel­lschaft ausdrückli­ch betont“.

Stimmt der Bundestag mehrheitli­ch für die Resolution – und danach schaut es im Augenblick aus –, würde das den Graben zunächst weiter vertiefen und die politische Rhetorik der türkischen Regierung verschärfe­n. Der türkische Botschafte­r in Berlin wird möglicherw­eise für einige Zeit „zur Berichters­tattung“nach Ankara zurückgeru­fen.

Dass die Türkei als Reaktion das Flüchtling­sabkommen aufkündigt, erwarten EU-Diplomaten in Ankara aber nicht, obschon Erdoğan immer wieder damit droht. Kippt Erdoğan den Flüchtling­spakt, müsste er nicht nur das politische Prestigepr­ojekt Visafreihe­it und versproche­ne EU-Hilfsgelde­r von sechs Milliarden Euro abschreibe­n. Er würde sein Land auch außenpolit­isch isolieren.

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BILD: SN/EPA Armenier gedenken in Eriwan der vielen Opfer des Genozids.

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