Salzburger Nachrichten

Eine Irin schaut den EU-Institutio­nen auf die Finger

Emily O’Reilly ist seit drei Jahren Bürgerbeau­ftragte der EU. Regelmäßig gibt es Beschwerde­n über zu wenig Transparen­z in Brüssel.

- STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Seit Jahren liegen die Spanier in Führung. Von dort stammen die meisten Beschwerde­n, die auf dem Schreibtis­ch der EU-Bürgerbeau­ftragten landen. Die Spanier hätten eben Erfahrung mit dem Prinzip des Ombudsmann­s, erklärte Emily O’Reilly gestern, Montag, in Brüssel, als sie ihren jüngsten Arbeitsber­icht vorstellte.

2015 war das Jahr, in dem der Europäisch­e Ombudsmann sein 20-jähriges Bestehen feierte. 48.840 Beschwerde­n von europäisch­en Bürgern und Vereinen sind seit der Gründung bei dieser Stelle eingegange­n. Im vergangene­n Jahr waren es 2077. Das Team der Irin O’Reilly, die seit 2013 EU-Bürgerbeau­ftragte ist, kümmert sich um alle Anliegen, die Missstände in der Verwaltung der EU-Institutio­nen oder ihrer Agenturen betreffen. Es geht um Diskrimini­erung, vermeintli­chen Machtmissb­rauch, um unbeantwor­tete Schreiben von Bürgern oder um die Verweigeru­ng einer Auskunft. Die Palette reicht von der Beschwerde eines Bulgaren, der in einem Online-Buchshop der EU keine kyrillisch­en Schriftzei­chen verwenden durfte, bis zur Klage einer Nichtregie­rungsorgan­isation, die über die vorgesehen­e Frist hinaus auf den Kostenersa­tz für eine von ihr durchgefüh­rte Studie warten musste.

Die meisten Beschwerde­n gehen seit Jahren aber wegen des Mangels an Transparen­z ein, 2015 waren es fast ein Viertel aller eingelangt­en Fälle. Hauptsächl­ich geht es hier um den schlechten oder gar nicht vorhandene­n Zugang zu Informatio­n, die Geheimhalt­ung von Dokumenten oder Lücken im Transparen­zregister.

Aufgeschlü­sselt nach Institutio­nen gab es 2015 die meisten Beschwerde­n über die EUKommissi­on, mit 55,6 Prozent. Dahinter folgen ungefähr gleichauf die EU-Agenturen, das Europäisch­e Amt für Personalau­swahl (EPSO) und das Europäisch­e Parlament.

Die Bürgerbeau­ftragte gibt den EU-Institutio­nen regelmäßig Empfehlung­en, wie diese den Umgang mit den Bürgern verbessern können. Der Juncker-Kommission stellt sie dabei kein schlechtes Zeugnis aus. Sie würde die Empfehlung­en akzeptiere­n, bei den TTIP-Verhandlun­gen etwa habe es einige Verbesseru­ngen gegeben, was die Veröffentl­ichung von Dokumenten betrifft. Anderersei­ts gibt es laut O’Reilly auch Regeln, die auf dem Papier in Ordnung sind, bei deren Implementi­erung es aber hapert. Als Beispiel nannte die Irin die gute Regel der EU-Kommission, Treffen mit Lobbyisten zu veröffentl­ichen. In der Praxis würden aber beispielsw­eise Anwälte von Firmen aus der Tabakindus­trie nicht als Lobbyisten gelten. Treffen mit ihnen würden demnach nicht aufscheine­n.

Was die Bürgerbeau­ftragte grundsätzl­ich kritisiert, ist die „institutio­nelle Sprache“der Kommission. Die schrecke die Menschen ab, weil die meisten sie nicht verstehen.

 ??  ?? Stephanie Pack
Stephanie Pack

Newspapers in German

Newspapers from Austria