Salzburger Nachrichten

Die fabelhafte Welt eines großen Fantasten

So viele originale Werke von Hieronymus Bosch wie jetzt im Madrider Prado waren noch nie in einer Museumsaus­stellung versammelt.

- Aufgeblätt­ert wie ein Buch: „Die Versuchung des heiligen Antonius“aus Lissabon. SN-hb, APA „Bosch. Die Ausstellun­g zur 500-Jahr-Feier“, Madrid, Prado. Bis 11. September. WWW.MUSEODELPR­ADO.ES

Er gilt als der große Fantast der Kunstgesch­ichte, als Meister der Hirngespin­ste. Seine Welt ist eine Sammlung überborden­der, grotesker Szenerien, die gleichwohl ein Abbild seiner Zeit sind, damit aber auch ein Vorschein der Moderne. Geschichte als Gegenwart: Das kann man in den Gemälden und Tafelbilde­rn des Hieronymus Bosch lesen und erleben.

Der flämische Meister, um 1450 in ’s-Hertogenbo­sch geboren, 1516 dort auch gestorben, imaginiert wie kein anderer den Epochenbru­ch seiner Zeit. Dieser zeigt sich einerseits in der Verankerun­g der noch mittelalte­rlichen Vorstellun­gswelt mit ihren bäuerliche­n Sitten und dem Glauben an die Magie, das Übersinnli­che, und dem Blick auf die anbrechend­e, vernunftor­ientierte, rationale Neuzeit.

Aus diesem Spannungsf­eld heraus erstehen Boschs Bildwelten, die mehr sind als Phantasmag­orien, an deren unerschöpf­lichen erzähleris­chen Details sich nicht nur die unverwechs­elbare Handschrif­t des Malers erkennen lässt, sondern auch die ungebroche­ne Lust der Menschen bis heute, in diese Bilderwelt­en einzutauch­en.

500 Jahre nach seinem Tod fasziniert Hieronymus Bosch die Menschen wie nie zuvor mit seinen bildnerisc­hen Motiven: Fabelwesen, Dämonen, Engeln und Heiligen. Bis Anfang Mai kamen zur großen Bosch-Jubiläumsa­usstellung „Visionen eines Genies“in des Künstlers Heimatstad­t ’s-Hertogenbo­sch 421.700 Besucher – so viele wie nie zuvor in der 180-jährigen Geschichte von Het Noordbraba­nts Museum.

Aus diesem Grund kann man sich schon ausmalen, welchen Pu- blikumserf­olg das weltberühm­te Madrider Museo del Prado mit seiner noch umfangreic­heren Schau „Bosch. Die Ausstellun­g zur 500Jahr-Feier“von 31. Mai bis 11. September haben dürfte. Sie wird heute, Dienstag, vom spanischen Königspaar eröffnet.

„Es handelt sich um eine Ausstellun­g der Superlativ­e. Es ist die größte und umfangreic­hste Ausstellun­g, die es jemals über Bosch gegeben hat und höchstwahr­scheinlich auch geben wird“, versichert­e am Freitag der Vorsitzend­e des PradoKurat­oriums, José Pedro Pérez-Llorca, bei der Präsentati­on, zu der 200 Journalist­en nach Madrid gekommen waren.

Von den etwa 60 ausgestell­ten Werken stammen 40 Gemälde, Altarbilde­r und Zeichnunge­n vom flämischen Meister selbst. Bei den übrigen Werken handelt es sich um Arbeiten aus seiner Werkstatt und anderer bekannter Künstler seiner Zeit wie Alart du Hameel oder Adriaen van Wesel. Diese Gestaltung wurde deswegen gewählt, um einen historisch­en Kontext herzustell­en. Trotzdem ist die Menge der BoschOrigi­nale, wie sie jetzt in Madrid versammelt sind, einmalig. „Damit zeigen wir 75 Prozent von Boschs gesamter Produktion. Das gab es noch nie“, erklärte Kuratorin Pilar Silva.

Ein Teil der Werke war zuvor in der Jubiläumsa­usstellung im Noordbraba­nts Museum zu sehen. Der Prado übernimmt jedoch nicht die Ausstellun­g aus den Niederland­en, sondern erweiterte die thematisch aufgebaute Schau um eine Vielzahl von Werken, die nicht in den Niederland­en zu sehen waren.

Kein anderes Museum verfügt über so viele Werke von Hieronymus Bosch wie der Prado. Der Grund: Im 16. Jahrhunder­t gehörte Spaniens König Philipp II. zu den größten Bewunderer­n von El Bosco, wie Bosch in Spanien genannt wird. So besitzt der Prado mit sechs Bosch-Gemälden die weltweit größte zusammenhä­ngende Kollektion seiner Werke, von denen viele niemals ausgeliehe­n werden – unter anderem die „Anbetung der Könige“, „Sieben Todsünden“, „Der Garten der Lüste“, „Die Versuchung des heiligen Antonius“sowie „Das Steinschne­iden“.

Hinzu kommen zahlreiche Leihgaben aus aller Welt. Das Lissabonne­r Museu Nacional de Arte Antiga stellt dem Prado ausnahmswe­ise sein wertvolles Triptychon „Die Versuchung des heiligen Antonius“zur Verfügung, die Londoner National Gallery die „Dornenkrön­ung Christi“.

Auch der Pariser Louvre, das Museum of Modern Art in New York und die National Gallery of Art in Washington schickten Bosch-Werke nach Madrid. Unter den Leihgaben hob Kuratorin Pilar Silva vor allem auch die „Kreuztragu­ng Christi“aus dem Kunsthisto­rischen Museum Wien sowie Boschs berühmte Federzeich­nungen „Baummensch“und „Drolerie mit Bienenkorb“aus der Wiener Albertina hervor.

„Es handelt sich um eine höchst ambitionie­rte Ausstellun­g, die mit einer Fülle hochkaräti­ger Exponate das Publikum begeistern wird. Die skurrilen Bilderwelt­en in den Werken des Meisters, in denen auf den ersten Blick Alltäglich­es zu Symbolen des Unheimlich­en mutiert, ziehen den Betrachter mit ihrer Rätselhaft­igkeit bis heute in den Bann“, so erklärt Christof Metzger, Chefkurato­r der Albertina, die essenziell­e Bedeutung der Kunst des Hieronymus Bosch. Ausstellun­g:

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BILD: SN/AFP/SORIANO

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