Die fabelhafte Welt eines großen Fantasten
So viele originale Werke von Hieronymus Bosch wie jetzt im Madrider Prado waren noch nie in einer Museumsausstellung versammelt.
Er gilt als der große Fantast der Kunstgeschichte, als Meister der Hirngespinste. Seine Welt ist eine Sammlung überbordender, grotesker Szenerien, die gleichwohl ein Abbild seiner Zeit sind, damit aber auch ein Vorschein der Moderne. Geschichte als Gegenwart: Das kann man in den Gemälden und Tafelbildern des Hieronymus Bosch lesen und erleben.
Der flämische Meister, um 1450 in ’s-Hertogenbosch geboren, 1516 dort auch gestorben, imaginiert wie kein anderer den Epochenbruch seiner Zeit. Dieser zeigt sich einerseits in der Verankerung der noch mittelalterlichen Vorstellungswelt mit ihren bäuerlichen Sitten und dem Glauben an die Magie, das Übersinnliche, und dem Blick auf die anbrechende, vernunftorientierte, rationale Neuzeit.
Aus diesem Spannungsfeld heraus erstehen Boschs Bildwelten, die mehr sind als Phantasmagorien, an deren unerschöpflichen erzählerischen Details sich nicht nur die unverwechselbare Handschrift des Malers erkennen lässt, sondern auch die ungebrochene Lust der Menschen bis heute, in diese Bilderwelten einzutauchen.
500 Jahre nach seinem Tod fasziniert Hieronymus Bosch die Menschen wie nie zuvor mit seinen bildnerischen Motiven: Fabelwesen, Dämonen, Engeln und Heiligen. Bis Anfang Mai kamen zur großen Bosch-Jubiläumsausstellung „Visionen eines Genies“in des Künstlers Heimatstadt ’s-Hertogenbosch 421.700 Besucher – so viele wie nie zuvor in der 180-jährigen Geschichte von Het Noordbrabants Museum.
Aus diesem Grund kann man sich schon ausmalen, welchen Pu- blikumserfolg das weltberühmte Madrider Museo del Prado mit seiner noch umfangreicheren Schau „Bosch. Die Ausstellung zur 500Jahr-Feier“von 31. Mai bis 11. September haben dürfte. Sie wird heute, Dienstag, vom spanischen Königspaar eröffnet.
„Es handelt sich um eine Ausstellung der Superlative. Es ist die größte und umfangreichste Ausstellung, die es jemals über Bosch gegeben hat und höchstwahrscheinlich auch geben wird“, versicherte am Freitag der Vorsitzende des PradoKuratoriums, José Pedro Pérez-Llorca, bei der Präsentation, zu der 200 Journalisten nach Madrid gekommen waren.
Von den etwa 60 ausgestellten Werken stammen 40 Gemälde, Altarbilder und Zeichnungen vom flämischen Meister selbst. Bei den übrigen Werken handelt es sich um Arbeiten aus seiner Werkstatt und anderer bekannter Künstler seiner Zeit wie Alart du Hameel oder Adriaen van Wesel. Diese Gestaltung wurde deswegen gewählt, um einen historischen Kontext herzustellen. Trotzdem ist die Menge der BoschOriginale, wie sie jetzt in Madrid versammelt sind, einmalig. „Damit zeigen wir 75 Prozent von Boschs gesamter Produktion. Das gab es noch nie“, erklärte Kuratorin Pilar Silva.
Ein Teil der Werke war zuvor in der Jubiläumsausstellung im Noordbrabants Museum zu sehen. Der Prado übernimmt jedoch nicht die Ausstellung aus den Niederlanden, sondern erweiterte die thematisch aufgebaute Schau um eine Vielzahl von Werken, die nicht in den Niederlanden zu sehen waren.
Kein anderes Museum verfügt über so viele Werke von Hieronymus Bosch wie der Prado. Der Grund: Im 16. Jahrhundert gehörte Spaniens König Philipp II. zu den größten Bewunderern von El Bosco, wie Bosch in Spanien genannt wird. So besitzt der Prado mit sechs Bosch-Gemälden die weltweit größte zusammenhängende Kollektion seiner Werke, von denen viele niemals ausgeliehen werden – unter anderem die „Anbetung der Könige“, „Sieben Todsünden“, „Der Garten der Lüste“, „Die Versuchung des heiligen Antonius“sowie „Das Steinschneiden“.
Hinzu kommen zahlreiche Leihgaben aus aller Welt. Das Lissabonner Museu Nacional de Arte Antiga stellt dem Prado ausnahmsweise sein wertvolles Triptychon „Die Versuchung des heiligen Antonius“zur Verfügung, die Londoner National Gallery die „Dornenkrönung Christi“.
Auch der Pariser Louvre, das Museum of Modern Art in New York und die National Gallery of Art in Washington schickten Bosch-Werke nach Madrid. Unter den Leihgaben hob Kuratorin Pilar Silva vor allem auch die „Kreuztragung Christi“aus dem Kunsthistorischen Museum Wien sowie Boschs berühmte Federzeichnungen „Baummensch“und „Drolerie mit Bienenkorb“aus der Wiener Albertina hervor.
„Es handelt sich um eine höchst ambitionierte Ausstellung, die mit einer Fülle hochkarätiger Exponate das Publikum begeistern wird. Die skurrilen Bilderwelten in den Werken des Meisters, in denen auf den ersten Blick Alltägliches zu Symbolen des Unheimlichen mutiert, ziehen den Betrachter mit ihrer Rätselhaftigkeit bis heute in den Bann“, so erklärt Christof Metzger, Chefkurator der Albertina, die essenzielle Bedeutung der Kunst des Hieronymus Bosch. Ausstellung: