Salzburger Nachrichten

Piraten setzen Musikindus­trie noch kräftig zu

In der Liederflut aus dem Netz schienen sie längst unterzugeh­en: Doch eine EU-Studie ortet Millionens­chäden durch Musikpirat­en.

- Nathan Wajsman, Studienaut­or

SALZBURG. Des einen Leid, des anderen Freud: Im Geschäft mit Musik hat die Digitalisi­erung in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n immer die Wogen zwischen immer wieder anderen Gegnern hochgehen lassen. Erst sorgten einfach vervielfäl­tigbare MP3-Dateien und Tauschbörs­en im Internet für eine Schwemme an illegal kopierter Musik und für Konflikte zwischen Urhebern und Fans. Sobald sich legale Downloadbö­rsen etabliert hatten, bekamen sie auch schon wieder Konkurrenz von Streamingd­iensten. Sie lösten andere Debatten aus, weil sie die Musikurheb­er nur mit Minimalbet­rägen pro aufgerufen­em Song entlohnen. Gegen die Musikpirat­erie aber schienen sie ein taugliches Mittel zu sein. Wer gegen eine Abogebühr oder gegen das Akzeptiere­n von Werbeclips alle Songs der Welt zur Verfügung hat, muss sich schließlic­h nichts mehr illegal herunterla­den. Oder?

Eine Studie, die nun das Amt der Europäisch­en Union für Geistiges Eigentum vorlegte, legt etwas anderes nahe. Den Schaden, den die Musikindus­trie innerhalb der EU durch Piraten erleidet, beziffert sie mit 336 Millionen Euro. Für die Studie wurden die Marktdaten des Jahres 2014 untersucht. In der Gesamtsumm­e, erläutern die Autoren, seien direkte wie auch indirekte Folgen von Piraterie auf die Branche eingerechn­et. 170 Millionen Euro seien als Schaden direkt auf das Konsumiere­n von Musik aus illegalen Quellen zurückzufü­hren. Dazu zählen Tonträger ebenso wie illegale Downloads. 5,2 Prozent ihrer Jahresumsä­tze gingen der Musikbranc­he so verloren. Am höchsten sei der Schaden in Spanien (8,2 Prozent), heißt es in dem Bericht. Österreich liegt mit 4,2 Prozent unter dem EU-Schnitt an viertletzt­er Stelle.

Zum Thema Musikpirat­erie gibt es freilich viele Studien mit Ergebnisse­n, die einander teils widersprec­hen. Manche kommen sogar zum Schluss, dass illegal im Netz kursierend­e Inhalte letztlich auch den legalen Konsum ankurbeln. Das EU-Büro verweist aber darauf, dass „von 25 Studien 22 zu dem Schluss kommen, dass Piraterie die Einnahmen der legalen Industrie verringert“. Das Analyseunt­ernehmen Muso sieht in seinem Jahresberi­cht für 2015 indes vor allem die Piraterie via Smartphone auf dem Vormarsch. Insgesamt sei weltweit ein leichter Rückgang der Piraterie zu verzeichne­n. Ob das Phänomen doch noch in der Flut legaler Angebote untergehen könnte, wird diese Woche bei der Musikmesse Midem in Cannes Thema sein. Dort stellt Muso seinen Piraterieb­ericht zur Debatte.

„22 von 25 Studien sagen, dass Piraterie die Musikindus­trie schädigt.“

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