Lachen, bis der Rechtsanwalt kommt
Lachen verboten? Kabarettist Alfred Dorfer spricht an der Uni über Zensur. Und warum wurde ein Kinderlied im ORF nicht gesendet?
GRAZ. Was darf Satire? Diese Frage ist durch die Affäre Jan Böhmermann kürzlich wieder brandaktuell geworden. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hatte ja nach einem Schmähgedicht einen Strafantrag gegen den deutschen TVModerator gestellt. In einer Zeit, in der in Europa Satire mit Gefängnis geahndet werden könnte, stellt sich der österreichische Kabarettist und Theaterwissenschafter Alfred Dorfer heute, Dienstag, an der Grazer Karl-Franzens-Uni einem öffentlichen Seminar zum Thema „Lachen verboten! Kabarett, Satire und die Zensur“.
Lachen, bis der Arzt kommt – oder eben der Rechtsanwalt. Dass es für Satiriker auch in heimischen Breiten ungemütlich werden kann, weiß Alfred Dorfer aus eigener Erfahrung. Als Moderator der ORFLate-Night-Show „Dorfers Donnerstalk“ war er bereits selbst mit Versuchen der Zensur konfrontiert. Zumindest gab es Sendungsverschiebungen und nachträgliche, entschärfende Schnitte bei „heißen“Beiträgen, etwa wenn es um Kirchenkritik ging. Er habe im ORF nichts so gut kennengelernt wie die Rechtsabteilung, sagt der 54-jährige Wiener, der heute im Hörsaal Willi Gaisch in die Rolle des Lehrenden schlüpfen und unter anderem von den Studierenden ausgearbeitete Fragen beantworten wird.
Für Dorfer sind Fragen der Konfession, der öffentlichen Moral und der Zensur immer schon ein wichtiges Thema, seine Diplomarbeit verfasste er zum Thema „Kabarett und Totalitarismus“, seine Doktorarbeit trägt den Titel „Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert“.
Für Alfred Dorfer ist jedenfalls die potenzielle Bedrohung durch einen Strafprozess für Satiriker die „absolute Ausnahme“. Im Falle des Falles würde er es aber wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel halten und in sehr heiklen Fällen der Justiz vertrauen. „Weitaus bedrohlicher sind für mich aber jene Psychopathen, die in diversen Internetforen aus sicherer Deckung ihren Hass und Schwachsinn verbreiten“, betont der Kabarettist, der das Genre Satire als Praktiker und Theoretiker bestens kennt.
„In den westlichen Demokratien herrschte einige wenige Jahrzehnte lang eine großzügig ausgelegte Redefreiheit. Neuerdings wird aber der Ruf nach Reglementierung und Regulierung, nach Zensur und Verbot, auch hier wieder lauter“, sagt die Germanistin Beatrix MüllerKampel, die Dorfer im Rahmen des fächerübergreifenden Moduls Literaturund Theatersoziologie an die Uni Graz eingeladen hat.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten seien dafür aber, so die Grazer Wissenschafterin, weder Staat noch Klerus verantwortlich, sondern die Political Correctness und ihre sprachpolizeilichen Normen. Müller-Kampel verweist auf einen Fall aus Kärnten, wo kürzlich das Kinderlied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, gesungen von einem Schulchor, nicht im ORF ausgestrahlt werden durfte. Begründung: „Politisch nicht korrekt.“Was nicht nur bei den Schülern, Eltern und Lehrpersonen Kopfschütteln und Verwunderung hervorgerufen hat. Müller-Kampel warnt vor einem „neuen Biedermeier in unserer Gesellschaft“und verweist darauf, dass Komik eben von Überzeichnung und Widersprüchen, von Tabubrüchen und Überraschungseffekten lebe: „Das Korsett für kritische Künstler ist sicher enger geworden.“
Alfred Dorfer wird – wie auch einst sein Kabarettkollege Josef Hader – in einem vollen Hörsaal referieren. Hader hatte ein Seminar zum Thema „komisch tragisch: tragisch komisch“gehalten. Die populäre Serie wird mit weiteren prominenten Gästen fortgesetzt.