Salzburger Nachrichten

Mit den letzten Tropfen Sprit zur Sensation

Vor drei Monaten sah Alexander Rossi erstmals den Indianapol­is Speedway, nun verlässt er die Kultstätte als Sieger des Jubiläumsr­ennens.

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Als er in seinem abgestorbe­nen Dallara-Honda in die „Victory Lane“gezogen wurde, war seine Miene ernst. Alexander Rossi wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, stammelte in die Mikrofone: „Ich habe keine Ahnung, wie uns das gelang.“Dann aber fing sich der 24-Jährige aus Nevada City (Kalifornie­n): „Ohne mein Team Andretti Autosport hätte ich das nie erreichen können. Es gab mir die Chance. Dieser Sieg ist für die Jungs.“Der Rookie (Neuling), der nach drei Saisonen als Testfahrer (Caterham, Marussia) und fünf Rennen im Herbst 2015 in der Formel 1 von Marussias neuen Eigentümer­n ausgemuste­rt wurde, hatte eben die 100. 500 Meilen von Indianapol­is gewonnen – als neunter Debütant war er (mit 268,11 km/h Schnitt) zum Sieg im ersten Versuch gerast.

Rossi war beim Re-Start nach der letzten Neutralisa­tion 33 Runden vor dem Ende Neunter. Nach und nach mussten die Fahrer in der Spitze zum letzten Nachtanken an die Box. Rossi aber pokerte, blieb auf der Piste und hatte nicht nur plötzlich, vier Runden vor Schluss der 200 Umläufe, die Führung inne, sondern nach Runde 199 14 Sekunden Vorsprung – 2,5 Meilen (vier Kilometer) später waren es gerade noch 4,5. Die Verfolger hetzten mit 220 Meilen pro Stunde Rossi in der Schlussrun­de hinterher, der Leader schaffte gerade noch 180. „Mir ist der Sprit ausgegange­n“, schrie er noch in den Funk, doch da passierte er gerade die Ziellinie, während die Boxenmanns­chaft auf der Mauer schon Freudentän­ze begann – die Risikotakt­ik war aufgegange­n. Für Teamchef Michael Andretti, der als Fahrer 16 Mal vergeblich einem Indy-500-Triumph hinterherg­ejagt war, war es der fünfte Sieg als Teameigner im Brickyard: „Nein, ich bin absolut nicht eifersücht­ig auf Alexander. Er hat sich diesen Sieg hart erarbeitet und hoch verdient.“Dass Rossi 36 Runden mit der letzten Tankfüllun­g schaffte, konnte die Konkurrenz nicht fassen: Mit weit über 350 km/h gelten 31 Runden (à vier Kilometer) als Maximum im Speedway. Rossi: „Es ging sich aus.“

Erst im Winter hatte Andretti (der McLaren-Kollege von Senna 1993 ist mittlerwei­le 53) beschlosse­n, im Indy-Jubiläum ein fünftes Auto gemeinsam mit dem früheren Rennfahrer­kollegen Bryan Herta einzusetze­n: „Um Weihnachte­n herum machten wir mit Alexander, den ich länger beobachtet hatte, den Vertrag. Ich hatte Vertrauen in ihn.“Rossi erzählte: „Ich kam im Februar das erste Mal nach Indy. Dann absolviert­e ich in Phoenix den ersten längeren Test in einem Indycar. Ich dachte zuerst: Was tue ich da? Drei Monate später gewinne ich hier. Ich kann es nicht glauben.“Es war erst sein sechster Start in der Indycar-Meistersch­aft.

Ob er während des Rennens an den Sieg gedacht habe, wurde er gefragt. Rossi, wieder ganz cool: „Ich hatte keinen guten Start. Aber nach einigen Runden konnte ich einige Fahrer überholen, auch einige routiniert­e und starke. Da dachte ich mir, dass mit diesem tollen Auto etwas möglich wäre.“

Nach der Verarbeitu­ng des turbulente­n Sonntags werde er nicht feiern, sondern sich auf die nächsten beiden Rennen am kommenden Wochenende in Detroit vorbereite­n. Und die Formel 1? „Ich kann euch versichern, dass ich in nächster Zeit in keinem F1-Auto sitzen werde“, meinte Rossi (formal noch Manor-Testfahrer) ironisch. Allerdings: Der Fahrer, der ihn in seiner Jugend am meisten inspiriert habe, „war Mika Häkkinen. Weil er gegen Schumacher der Underdog war.“Wie Rossi Sonntag in Indy gegen Montoya, Dixon, Castroneve­s & Co.

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BILD: SN/AP Auch für Neulinge gilt Tradition: Sieger Rossi gönnt sich Milch.
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