Bühne frei für das Leben
Viele hübsche Geschichten finden nur in unseren Köpfen statt. Außer man findet einen Ort, wo sie passieren. Eine zauberhafte Zechtour in der ARGEkultur in Salzburg-Nonntal
SALZBURG. Da war es wieder, dieses Plakat mit der magischen Anziehungskraft. „Volxtheaterwerkstatt. Begabte und Unbegabte willkommen“stand darauf. Der Bauch jubilierte: Ja! Der Kopf skizzierte eventuelle Bühnenpräsenzen mit Blamagepotenzial, schrie: Nein! Und lenkte die Füße in eine andere Richtung.
Der Bauch hat gesiegt: Wenige Tage später hat er sich mit meinen Füßen zusammengetan und mich ins Studio der ARGEkultur geführt. Ein schwarzer Raum, ein Tisch, ein Sessel und etwa 14 Menschen, die die Neugierde eint. Und die Fantasie, diesen Raum einmal mit Barhockern zu versehen, einmal mit Karibiksand – je nach Laune. Manche hier haben schon Bühnenerfahrung, andere bloß Lampenfieber. Reinhold Tritscher, unser Regisseur, verzichtet auf die Vorstellrunde. Es ist nicht wichtig, was wir außerhalb dieses Raumes tun. Ich bin nervös. Ein Theater machen kann ich, aber das hier? Es geht reihum: Jeder sagt ein entführt Sie noch heute, Dienstag, und morgen, Mittwoch, jeweils um 19.30 Uhr in die skurrilste Bar Österreichs. Sie heißt „Hafen der gestrandeten Sehnsüchte“(und befindet sich in der ARGEkultur). Die Nacht spült eine Menge einsame, liebenswerte Gestalten in die Bar. Lernen Sie sie kennen! Wort. Irgendeines, das er aus seinem Gedankenfluss fischt. Handy, Liebe, Katze, Supermarkt, Urlaub, Adam & Eva. Das ist fürs Erste unser roter Faden.
Mühelos betreten die Ersten unseren imaginären Supermarkt und improvisieren. „Geklaut wird hier nicht, dass das klar ist“, sagt der Kassier, ohne dass noch jemand den Laden betreten hat. Eine Frau entdeckt abgelaufene Ware und macht Stunk. Ihr Kind muss sich zur Bestätigung übergeben, es hat bereits ein Wurstradl verdrückt. Ich gebe mir einen Ruck und betrete die Fantasiewelt. „Ich fahre auf Urlaub. Hätten Sie auch Bikinis?“, frage ich den Kassier. Der blickt an mir hoch und sagt: „Ja, aber nur in klein.“Ich entscheide mich für Sonnencreme.
Unser Spiel kommt in Gang, ganz leicht reiht sich eine Idee an die andere. Während inzwischen das gesamte Laienensemble an der Kasse Schlange steht, fällt plötzlich der Strom aus und die Supermarkttür lässt sich nicht mehr öffnen. Dann fällt der Dame im gelben Regenmantel auch noch auf, dass ihre Geldtasche fehlt.
Wir lernen uns auf ungewöhnliche Weise kennen. Als Figuren, die wir sein wollen. Oder auch nie. Die wir aber in jedem Fall verzieren mit schrulligen Eigenheiten. Als sich die Supermarkttüren endlich wieder öffnen, die ungeduldige Meute hinausströmt und der Kassier die Tür von außen verschließt, merkt er nicht, dass er drin einen Rollstuhlfahrer vergessen hat. Es ist diese Szene, die Reinhold Tritscher als erstes kostbares Mosaiksteinchen von so vielen aufbewahrt, um sie zu einer Geschichte zusammenzufügen, die nun in der ARGEkultur zu bewundern ist.