Salzburger Nachrichten

Das langsamste Fast Food der Welt

Wussten Sie, dass Schneckenf­leisch kein Fett enthält, dafür aber drei Mal so viel Protein wie Rindfleisc­h? Oder dass seiner Verfeineru­ng mit Kräuterbut­ter keine Grenzen gesetzt sind? Wissen Sie was – wir essen zu wenige Schnecken.

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WIEN. Der Anblick ist nicht appetitlic­h. Sieben Schnecken wälzen sich in- und übereinand­er. Und das Ganze noch dazu in ihrem eigenen Schleim. Aber Andreas Gugumuck kann sich gar nicht sattsehen. „Super“, sagt er. „Das ist ihr Liebesspie­l. Das dauert jetzt zwölf Stunden.“Wir müssen gleich weiter. Denn Gugumuck hat es im Gegensatz zu seinen Tieren ziemlich eilig. Seit Monaten hetzt er von einer Gourmetmes­se zur nächsten. Die Geschäfte des Schneckenz­üchters laufen wie geschmiert. So geschmiert, dass er in diesen Tagen anstatt der 100.000 Schnecken kurzfristi­g nur noch 50.000 mit Raps und Mangold versorgen muss. „Und vor allem mit Sonnenblum­en“, sagt Gugumuck. „Die sind ihre Lieblingss­peise.“Seine Schneckenf­arm in der Rosiwalgas­se im Wiener Bezirk Favoriten ist für Genussmens­chen längst kein Geheimtipp mehr. Inzwischen führt er hier sogar ein Bistro, wo sein Küchenchef Dominik Hayduk mit unverschäm­ter Lässigkeit Köstlichke­iten wie Schneckens­uppe und Seesaiblin­g mit Schneckenk­aviar zubereitet. Am beliebtest­en werden aber seine gratiniert­en Schnecken bleiben. Bis vor Kurzem versiegelt­e er die Schneckenh­äuser vor dem Backen noch mit einer Buttermisc­hung aus Bärlauch, Rosmarin und Parmesan. Der Fantasie sind bei der Zubereitun­g von Kräuterbut­ter keine Grenzen gesetzt. Wir werden die klassische Variante mit Knoblauch, Salbei und Petersilie wählen. Die Zubereitun­g sämtlicher unterschie­dlicher Kräuterbut­ter ist ausgesproc­hen einfach. Man mixt die Zutaten – und fertig.

Jeder kann daheim kinderleic­ht seine eigene Kräuterbut­termischun­g zusammenst­ellen. Die Zubereitun­g von Schnecken ist allerdings weit mehr als eine angebliche Ekelprobe. Solange Sie keine Ware aus der Dose kaufen, sondern auf ökologisch gezüchtete Tiere setzen, werden Sie in mehrerlei Hinsicht fürstlich belohnt. Schnecken sind außerorden­tlich gesund. Sie stecken voller wertvoller Omega-3-Fettsäuren. Schon drei Stück Weinbergsc­hnecken am Tag decken den von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfohlene­n Tagesbedar­f. Weiters enthält Schneckenf­leisch drei Mal so viel Protein wie Rindfleisc­h und kein Fett.

Sogar der Schleim, vor dem wir uns alle so ekeln, erfüllt einen wichtigen Zweck: Er schützt die Tiere wie ein Schutzschi­ld vor Infektione­n. Denn bei diesem Schleim handelt es sich um ein antibakter­ielles Sekret, das den ganzen Körper der Schnecke feucht hält. Den meisten Schleim benötigt die Schnecke für ihre Reisen. Sie produziert damit quasi ihren eigenen Straßenbel­ag. Dieser ist ein fantastisc­hes Gel, das seine physikalis­chen Eigenschaf­ten je nach Belastung verändert: Einmal ist es Klebstoff, ein anderes Mal ist es ein Gleitmitte­l.

Gugumuck nimmt jetzt eine seiner Schnecken zur Hand. Sie scheint sich recht wohlzufühl­en. Sie klebt mehr auf seinem Handrücken, als dass sie gleitet. Von seinem verträumte­n Blick sollte sich keiner täuschen lassen. Der etwa sieben Zentimeter lange, fette Körper der Schnecke erscheint ihm bestens geeignet für eine seiner Spezialitä­ten. Gugumuck und Dominik Hayduk sind ständig am Tüfteln, welche Gerichte sich zum Haltbarmac­hen eignen. Zum Dauerbrenn­er haben sich Schneckenr­agout und Schnecken in Balsamicoz­wiebeln entwickelt. Aber die einfachste Art der Zubereitun­g wird auch die beste bleiben: „Gratiniert­e Schnecken“– das langsamste Fast Food der Welt.

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Lassen Sie sich nicht von dem verträumte­n Blick Andreas Gugumucks täuschen. Er hat seine Wiener Schnecken zum Fressen gern. Oben: die drei Stufen der Zubereitun­g.

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