Bananenrepublik – das sind immer die anderen
Langsam, zum Mitschreiben: Eine Wahlanfechtung ist weder Diebstahl noch Anzeichen schlechter Gesinnung.
Es wird Zeit, das Selbstverständliche festzuhalten. Österreich ist ein Rechtsstaat. Zu den unveräußerlichen Rechten im Rechtsstaat gehört es, Verwaltungsentscheidungen, Gerichtsurteile und Wahlen anfechten zu können. Wird ein Bürger, eine Vereinigung oder eine Partei um dieses Recht verkürzt, gerät das ganze rechtsstaatliche Gefüge ins Wanken.
Warum diese Selbstverständlichkeit hier breitgetreten wird? Weil ein erheblicher Teil der Öffentlichkeit in helle Empörung darüber geraten ist, dass eine Partei – im konkreten Fall die Freiheitlichen – sich erlaubt, den Rechtsweg zu beschreiten. Und zwar den Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof, an den die FPÖ das Ansuchen gestellt hat, das Ergebnis der Bundespräsidentenstichwahl zu überprüfen.
Diese Selbstverständlichkeit lässt vor allem die sozialen Medien vor Missgunst triefen. Da argwöhnt einer, dass die FPÖ „mit Rechtstricks VdB den Sieg klauen“wolle – ganz so, als ob eine Wahlanfechtung ein Diebstahl wäre. Da schreibt ein anderer, dass in diesem Fall Österreich eine „Bananenrepublik“wäre, aus der man nur „auswandern“könne – als ob die Überprüfung einer Wahl durch ein Höchstgericht ein bananenrepublikanisches Spezifikum wäre. Ein Dritter meint, dass Wahlen durch „höchste Gerichtshöfe manipuliert“werden können – als ob es sich bei den Verfassungsrichtern um Rechtsbrecher im Talar handle. Und ein Vierter ruft gar eine Staatskrise aus.
Diese Geisteshaltung ist nicht auf den linken Flügel der Twitteria beschränkt. Der zu Recht hoch angesehene Herausgeber des zu Recht hoch angesehenen „Falter“nennt die FPÖ eine „Schlaucherlpartei“beziehungsweise eine Partei der „demagogischen Luschen“. Und er weiß bereits heute: „Norbert Hofer wird nicht Bundespräsident, so oder so nicht“– ganz so, als ob er Geheiminformationen über den bevorstehenden Spruch des VfGH respektive den Ausgang einer allfälligen Neuwahl habe.
Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: Norbert Hofer hätte knapp die Wahl gewonnen, gleichzeitig wären Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung bekannt geworden. Jene, die jetzt der FPÖ den Rechtsweg abschneiden wollen, wären die lautesten Anfechtungs- und Neuwahlrufer gewesen. Bananenrepublik – das sind immer die anderen.
Vieles spricht dafür, dass Alexander Van der Bellen der bessere Bundespräsident ist als Norbert Hofer. Alles spricht dagegen, dieser Einschätzung mit undemokratischen Argumenten zum Durchbruch zu verhelfen.