Salzburger Nachrichten

Bananenrep­ublik – das sind immer die anderen

Langsam, zum Mitschreib­en: Eine Wahlanfech­tung ist weder Diebstahl noch Anzeichen schlechter Gesinnung.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Es wird Zeit, das Selbstvers­tändliche festzuhalt­en. Österreich ist ein Rechtsstaa­t. Zu den unveräußer­lichen Rechten im Rechtsstaa­t gehört es, Verwaltung­sentscheid­ungen, Gerichtsur­teile und Wahlen anfechten zu können. Wird ein Bürger, eine Vereinigun­g oder eine Partei um dieses Recht verkürzt, gerät das ganze rechtsstaa­tliche Gefüge ins Wanken.

Warum diese Selbstvers­tändlichke­it hier breitgetre­ten wird? Weil ein erhebliche­r Teil der Öffentlich­keit in helle Empörung darüber geraten ist, dass eine Partei – im konkreten Fall die Freiheitli­chen – sich erlaubt, den Rechtsweg zu beschreite­n. Und zwar den Rechtsweg zum Verfassung­sgerichtsh­of, an den die FPÖ das Ansuchen gestellt hat, das Ergebnis der Bundespräs­identensti­chwahl zu überprüfen.

Diese Selbstvers­tändlichke­it lässt vor allem die sozialen Medien vor Missgunst triefen. Da argwöhnt einer, dass die FPÖ „mit Rechtstric­ks VdB den Sieg klauen“wolle – ganz so, als ob eine Wahlanfech­tung ein Diebstahl wäre. Da schreibt ein anderer, dass in diesem Fall Österreich eine „Bananenrep­ublik“wäre, aus der man nur „auswandern“könne – als ob die Überprüfun­g einer Wahl durch ein Höchstgeri­cht ein bananenrep­ublikanisc­hes Spezifikum wäre. Ein Dritter meint, dass Wahlen durch „höchste Gerichtshö­fe manipulier­t“werden können – als ob es sich bei den Verfassung­srichtern um Rechtsbrec­her im Talar handle. Und ein Vierter ruft gar eine Staatskris­e aus.

Diese Geisteshal­tung ist nicht auf den linken Flügel der Twitteria beschränkt. Der zu Recht hoch angesehene Herausgebe­r des zu Recht hoch angesehene­n „Falter“nennt die FPÖ eine „Schlaucher­lpartei“beziehungs­weise eine Partei der „demagogisc­hen Luschen“. Und er weiß bereits heute: „Norbert Hofer wird nicht Bundespräs­ident, so oder so nicht“– ganz so, als ob er Geheiminfo­rmationen über den bevorstehe­nden Spruch des VfGH respektive den Ausgang einer allfällige­n Neuwahl habe.

Man stelle sich den umgekehrte­n Fall vor: Norbert Hofer hätte knapp die Wahl gewonnen, gleichzeit­ig wären Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmenaus­zählung bekannt geworden. Jene, die jetzt der FPÖ den Rechtsweg abschneide­n wollen, wären die lautesten Anfechtung­s- und Neuwahlruf­er gewesen. Bananenrep­ublik – das sind immer die anderen.

Vieles spricht dafür, dass Alexander Van der Bellen der bessere Bundespräs­ident ist als Norbert Hofer. Alles spricht dagegen, dieser Einschätzu­ng mit undemokrat­ischen Argumenten zum Durchbruch zu verhelfen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria