Der Sultan und seine Diener
Viele junge Leute mit türkischen Wurzeln sind längst angekommen in der deutschen Gesellschaft. Die Angehörigen der zweiten und dritten Einwanderergeneration sehen sich meist besser integriert als noch die erste „Gastarbeiter“-Generation. Dennoch bleiben sie auf Distanz, weil sie sich von der Mehrheitsgesellschaft nicht anerkannt fühlen. Vor allem aus Trotz betonen sie daher ihre religiös-kulturelle Herkunft. Dabei spielen für die jungen Deutschtürken die islamischen Gebote im Alltagsleben eine weit weniger wichtige Rolle als noch für die Älteren.
Solche Aussagen zeigen, dass die deutsche Gesellschaft große Kraft zur Integration hat; dass die Einbeziehung neuer Bürger in die etablierte Gesellschaft gelingen kann. Doch man erkennt auch, wie viel Mühe dieser Prozess macht; wie leicht er trotz großer Anstrengungen auf beiden Seiten scheitern kann.
Dies vor allem auch deshalb, weil andere Faktoren das Zusammenwachsen zusätzlich erschweren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist ein solches Hindernis, wenn er die Deutschtürken vor einer (gar nicht gebotenen) Assimilation warnt und damit die (dringend nötige) Integration erschwert. Offenbar will der neue Sultan der Türkei auch in Deutschland mitregieren.
Die deutsch-türkischen Verbände sind ein solches Hindernis, wenn sie die maßlosen Angriffe Ankaras auf türkischstämmige Abgeordnete nach der Armenien-Resolution des Bundestages nicht scharf zurückweisen. Offenbar verstehen sich diese Funktionäre als verlängerter Arm Erdoğans in Deutschland, aber nicht als Anwalt des in Deutschland geltenden Rechts.