Salzburger Nachrichten

Ein Flüchtling erzählt über den Ramadan

Kein Essen und kein Trinken bis Sonnenunte­rgang. Das ist derzeit für viele Muslime Alltag.

- Neu in Österreich

WR. NEUDORF. Der Magen knurrt, die Lippen sind trocken. Trotzdem fühlt sich Alamgeer wohl. „Alles okay“, wiederholt der junge afghanisch­e Asylbewerb­er, den die SN durch sein Asylverfah­ren begleiten, immer wieder. Für rund 570.000 Muslime in Österreich hat vor wenigen Tagen der Fastenmona­t Ramadan begonnen. Auch viele Asylbewerb­er halten sich daran.

„19 Stunden lang gibt es nichts zu essen und nichts zu trinken“, sagt der junge Afghane. Zwischen Sonnenaufg­ang und Sonnenunte­rgang wird nichts gegessen und nichts getrunken. Beendet wird der Ramadan am 6. Juli mit einem großen Fest.

Wobei viele Muslime das Fasten unterschie­dlich auslegen. Manche verzichten vielleicht nicht auf das Trinken, dafür aber auf Musik. Kranke, Schwangere, Kinder oder schwer Arbeitende sind vom Fasten ausgenomme­n. Muslime, die etwa gerade bei der Fußball-EM in Frankreich spielen, können das Fasten nachholen oder durch Spenden für wohltätige Zwecke ersetzen.

Es geht um Selbstdisz­iplin, Demut, Verzicht und um die gemeinsame Zeit mit Freunden und der Familie. Denn am wichtigste­n beim Fasten ist das Fastenbrec­hen. Alamgeer fährt dann am Abend von seiner Wohngemein­schaft des SOSKinderd­orfs nach Wien zu seinem Bruder. Alamgeers Bruder ist älter und schon länger in Österreich, das Fastenbrec­hen feiern sie gemeinsam in einer Moschee beim Wiener Westbahnho­f. Ab Sonnenunte­rgang wird dann gemeinsam gegessen. Traditione­ll wird zuerst ein Schluck Wasser und eine Dattel zu sich genommen.

„Danach kommen Bananen, Bohnen, Joghurt, Salate, Fladenbrot und, ganz wichtig: Limonade“, erzählt er. Sonst versucht er den Alltag normal zu gestalten. Doch oft steht die Fastenzeit im Widerspruc­h zu dem täglichen Leben eines Jugendlich­en. Freunde von Alamgeer fahren in dieser Zeit mit der Schule etwa auf Sportwoche. Damit die jungen Asylbewerb­er aber trotzdem daran teilnehmen können, wird das Fasten unterbroch­en. Die jungen Flüchtling­e wissen, wie wichtig eine gemeinsame Woche mit den Mitschüler­n ist.

Alamgeer versucht, sich immer besser in Österreich zurechtzuf­inden. Von seinem Asylverfah­ren weiß er noch nichts, deshalb besucht er weiter den Deutschkur­s und schaut sich im nahen Wien nach einem Verein um, in dem er Cricket spielen kann. Alamgeer sucht Ablenkung und Anschluss. Das Warten auf den Asylbesche­id schlägt schön langsam auf die Stimmung. Dazu kommt, dass sein bisheriger Zimmerkoll­ege und guter Freund aus der betreuten WG ausgezogen ist. „Im Ramadan bin ich auch sehr müde.“Auch der Sieg von Ungarn gegen Österreich schlug auf Alamgeers Stimmung. Beim 2:0 der Ungarn schrieb er auf Facebook: „Ich bin traurig.“Darunter ein Bild der österreich­ischen Nationalma­nnschaft.

 ?? BILD: SN/ALAMGEER ?? Alamgeer beim Fastenbrec­hen.
BILD: SN/ALAMGEER Alamgeer beim Fastenbrec­hen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria