Salzburger Nachrichten

Die Maler entdeckten ein neues Medium

Selbst berühmte Künstler des 19. Jahrhunder­ts wie Hans Makart oder Gustav Klimt nutzten die Erfindung der Fotografie für ihr Schaffen.

- Monika Faber, Fotoexpert­in Inspiratio­n Fotografie – von Makart bis Klimt. Unteres Belvedere, Orangerie. Bis 30. 10.

WIEN. Vorerst kursierten im Februar 1839 nur Gerüchte in Wien, dass eine französisc­he Erfindung Bilder mit Sonnenlich­t erzeugen könne. Das versetzte die Künstlersc­har in einige Aufregung, die der einflussre­iche Professor Andreas von Ettingshau­sen zu beruhigen versuchte. Die Herstellun­g der kleinen spiegelnde­n Bilder würde viel zu lange dauern, als dass sie zur Konkurrenz für die Maler würde. Der Erfinder Louis Jacques Mandé Daguerre hatte Proben seiner Kunst nach Wien an Kaiser Ferdinand geschickt. Und einer am Hof war begeistert. Staatskanz­ler Metternich schrieb am 25. August 1839 an den Sekretär der Akademie: „Um das kunstliebe­nde Publikum dieser Hauptstadt sobald als möglich den Anblick der wundervoll­en Erfindung des H(errn) Daguerre zu gewähren, erhalten Sie hiemit diese beyden Proben derselben, mit dem Auftrag, solche während 3 Tagen in dem Gebäude der k. k. Akademie der bildenden Künste in einem geeigneten Locale aufstellen zu lassen, und die vorzüglich­sten Künstler, Kunstkenne­r und Kunstliebh­aber in meinem Namen einzuladen, solche in Augenschei­n zu nehmen. Metternich.“

Die Wiener Zeitschrif­t für Kunst, Literatur, Theater und Mode ätzte: „Es ist wahr, die Erfindung des Herrn Daguerre ist schön, lieblich, erstaunung­swürdig, aber – man vergebe dort an der Seine – sie ist noch ein Kind, und wohl ihr, wenn sie nicht das Schicksal eines als Genie verschrien­en Täuflings erfährt, welcher stirbt, ehe er in den eigenen Schuhen steht.“Auch ein Mann wie Rudolf von Eitelberge­r, der später als Gründer des k. k. Museums für Kunst und Industrie eine maßgeblich­e Rolle in der Vermittlun­gstätigkei­t ausüben sollte, war skeptisch: „Das Ganze (ist) eine Spielerei, von keinem Einfluß auf die Kunst.“Tja, es kam anders, wie wir heute wissen.

Der Forschungs­drang in Sachen Fotografie war losgetrete­n, gerade in Wien entwickelt­e sich ein innovative­s Zentrum. Der Mathematik­er Josef Petzval berechnete eine neues lichtstark­es Objektiv, das ab 1841 vom Optiker Peter Wilhelm Voigtlände­r auf den Markt gebracht wurde und das die Belichtung­szeit von etwa einer halben Stunde auf unter eine Minute verkürzte. Daguerre war schlau genug gewesen, seine Linse auf Gebäude wie Notre Dame zu richten, andere fotografie­rten in die Landschaft. Was sich bewegte, verschwand oder wurde zu Nebel. Nun war es durchaus eine brauchbare Zeitspanne für Menschen, ruhig zu sitzen. Auch dringend benötigte Tierstudie­n halfen den Malern, denn „Ochsen sind schlechte Modelle – sie bleiben nicht stehen“, sagte Monika Faber. Die Fotoexpert­in und Leiterin des Photoinsti­tutes Bonartes hat im Belvedere eine kunst- und fotohistor­isch spannende Schau zusammenge­stellt.

Neben rund 200 Fotos aus der Frühzeit des Mediums hängen große „Ölschinken“, es gibt Zeichnunge­n und Druckgrafi­ken, man erfährt einiges über Tricks und die kreative Hinwendung der Künstler zur neuen Apparatur. „Es gibt keinen einzigen Maler, der gar nichts mit dem neuen Medium zu tun gehabt hätte“, ist Monika Faber überzeugt. Ein anerkannte­r Maler wie Franz Alt malte sogar auf eigens angekaufte­n Fotografie­n, Carl Rahl oder Friedrich von Amerling ließen eigene Entwürfe fotografie­ren, um sie farbig zu überarbeit­en. Die Möglichkei­ten der Vervielfäl­tigung machten aus einer Skizze den Ausgangspu­nkt für weitere malerische Varianten.

Der Orientspez­ialist Leopold Carl Müller oder auch Hans Makart machten kein Geheimnis aus ihrem Naheverhäl­tnis zum Lichtbild. In Makarts Nachlass fanden sich rund 2500 Fotografie­n. Auch wenn Makart in seiner Jugend im Salzburger Fotoatelie­r Johann Scheidl als Retuscheur ausgeholfe­n hatte, vertraute er eher „Profifotog­rafen“. 1875 reiste Hans Makart mit Franz von Lenbach und Carl Rudolf Huber nach Ägypten, wo sie von Leopold Karl Müller erwartet wurden. Der Markt von Kairo wurde ebenso dokumentie­rt für geplante Gemälde wie junge Damen in voller Blöße. Und auch ein nach einem Breughel-Motiv „besoffen“hingestrec­ktes Künstlergr­üppchen zeigt, dass man es sich lustig machte in Kairo.

Zu Inszenieru­ngen griffen auch andere Künstler, die sich Kameras in ihr Atelier stellten. Georg Klimt musste sich in Kostüm hinfläzen und „Romeo“spielen, aus den Fotos wurden Zeichnunge­n und danach Deckengemä­lde im Burgtheate­r, verfertigt von seinem Bruder Gustav Klimt und Franz Matsch. Auch Klimts Schwester Hermine saß kostümiert Modell für „Theater Shakespear­e“. Wunderbare Einsichten tun sich da auf. Franz Matsch fotografie­rte auch selbst, seine Frau und seine Kinder mussten Modell stehen. Müßig zu erwähnen, dass Fotografie heute selbst eine Kunst ist.

„Ochsen sind schlechte Modelle – sie bleiben nicht stehen.“

Ausstellun­g:

 ?? BILD: SN/BELVEDERE ?? Vorher: Sohn des Malers Franz Matsch.
BILD: SN/BELVEDERE Vorher: Sohn des Malers Franz Matsch.
 ?? BILD: SN/BELVEDERE ?? Nachher: „Prinz Ludwig von Ungarn“.
BILD: SN/BELVEDERE Nachher: „Prinz Ludwig von Ungarn“.

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