Die Maler entdeckten ein neues Medium
Selbst berühmte Künstler des 19. Jahrhunderts wie Hans Makart oder Gustav Klimt nutzten die Erfindung der Fotografie für ihr Schaffen.
WIEN. Vorerst kursierten im Februar 1839 nur Gerüchte in Wien, dass eine französische Erfindung Bilder mit Sonnenlicht erzeugen könne. Das versetzte die Künstlerschar in einige Aufregung, die der einflussreiche Professor Andreas von Ettingshausen zu beruhigen versuchte. Die Herstellung der kleinen spiegelnden Bilder würde viel zu lange dauern, als dass sie zur Konkurrenz für die Maler würde. Der Erfinder Louis Jacques Mandé Daguerre hatte Proben seiner Kunst nach Wien an Kaiser Ferdinand geschickt. Und einer am Hof war begeistert. Staatskanzler Metternich schrieb am 25. August 1839 an den Sekretär der Akademie: „Um das kunstliebende Publikum dieser Hauptstadt sobald als möglich den Anblick der wundervollen Erfindung des H(errn) Daguerre zu gewähren, erhalten Sie hiemit diese beyden Proben derselben, mit dem Auftrag, solche während 3 Tagen in dem Gebäude der k. k. Akademie der bildenden Künste in einem geeigneten Locale aufstellen zu lassen, und die vorzüglichsten Künstler, Kunstkenner und Kunstliebhaber in meinem Namen einzuladen, solche in Augenschein zu nehmen. Metternich.“
Die Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode ätzte: „Es ist wahr, die Erfindung des Herrn Daguerre ist schön, lieblich, erstaunungswürdig, aber – man vergebe dort an der Seine – sie ist noch ein Kind, und wohl ihr, wenn sie nicht das Schicksal eines als Genie verschrienen Täuflings erfährt, welcher stirbt, ehe er in den eigenen Schuhen steht.“Auch ein Mann wie Rudolf von Eitelberger, der später als Gründer des k. k. Museums für Kunst und Industrie eine maßgebliche Rolle in der Vermittlungstätigkeit ausüben sollte, war skeptisch: „Das Ganze (ist) eine Spielerei, von keinem Einfluß auf die Kunst.“Tja, es kam anders, wie wir heute wissen.
Der Forschungsdrang in Sachen Fotografie war losgetreten, gerade in Wien entwickelte sich ein innovatives Zentrum. Der Mathematiker Josef Petzval berechnete eine neues lichtstarkes Objektiv, das ab 1841 vom Optiker Peter Wilhelm Voigtländer auf den Markt gebracht wurde und das die Belichtungszeit von etwa einer halben Stunde auf unter eine Minute verkürzte. Daguerre war schlau genug gewesen, seine Linse auf Gebäude wie Notre Dame zu richten, andere fotografierten in die Landschaft. Was sich bewegte, verschwand oder wurde zu Nebel. Nun war es durchaus eine brauchbare Zeitspanne für Menschen, ruhig zu sitzen. Auch dringend benötigte Tierstudien halfen den Malern, denn „Ochsen sind schlechte Modelle – sie bleiben nicht stehen“, sagte Monika Faber. Die Fotoexpertin und Leiterin des Photoinstitutes Bonartes hat im Belvedere eine kunst- und fotohistorisch spannende Schau zusammengestellt.
Neben rund 200 Fotos aus der Frühzeit des Mediums hängen große „Ölschinken“, es gibt Zeichnungen und Druckgrafiken, man erfährt einiges über Tricks und die kreative Hinwendung der Künstler zur neuen Apparatur. „Es gibt keinen einzigen Maler, der gar nichts mit dem neuen Medium zu tun gehabt hätte“, ist Monika Faber überzeugt. Ein anerkannter Maler wie Franz Alt malte sogar auf eigens angekauften Fotografien, Carl Rahl oder Friedrich von Amerling ließen eigene Entwürfe fotografieren, um sie farbig zu überarbeiten. Die Möglichkeiten der Vervielfältigung machten aus einer Skizze den Ausgangspunkt für weitere malerische Varianten.
Der Orientspezialist Leopold Carl Müller oder auch Hans Makart machten kein Geheimnis aus ihrem Naheverhältnis zum Lichtbild. In Makarts Nachlass fanden sich rund 2500 Fotografien. Auch wenn Makart in seiner Jugend im Salzburger Fotoatelier Johann Scheidl als Retuscheur ausgeholfen hatte, vertraute er eher „Profifotografen“. 1875 reiste Hans Makart mit Franz von Lenbach und Carl Rudolf Huber nach Ägypten, wo sie von Leopold Karl Müller erwartet wurden. Der Markt von Kairo wurde ebenso dokumentiert für geplante Gemälde wie junge Damen in voller Blöße. Und auch ein nach einem Breughel-Motiv „besoffen“hingestrecktes Künstlergrüppchen zeigt, dass man es sich lustig machte in Kairo.
Zu Inszenierungen griffen auch andere Künstler, die sich Kameras in ihr Atelier stellten. Georg Klimt musste sich in Kostüm hinfläzen und „Romeo“spielen, aus den Fotos wurden Zeichnungen und danach Deckengemälde im Burgtheater, verfertigt von seinem Bruder Gustav Klimt und Franz Matsch. Auch Klimts Schwester Hermine saß kostümiert Modell für „Theater Shakespeare“. Wunderbare Einsichten tun sich da auf. Franz Matsch fotografierte auch selbst, seine Frau und seine Kinder mussten Modell stehen. Müßig zu erwähnen, dass Fotografie heute selbst eine Kunst ist.
„Ochsen sind schlechte Modelle – sie bleiben nicht stehen.“
Ausstellung: