Salzburger Nachrichten

Fast elf Euro für eine Maß auf der Wiesn

Der Bierpreis beim größten Volksfest der Welt steigt erneut. Wie Wirte die hohen Kosten rechtferti­gen.

- J. Bittlinger, Vereinsvor­sitzender SN, dpa

Die Wiesn-Wirte langen wieder zu: Das Bier auf dem Oktoberfes­t wird noch teurer. Wie die Stadt München am Donnerstag mitteilt, kostet die Maß 2016 zwischen 10,40 und 10,70 Euro – drei Prozent mehr als im vergangene­n Jahr. Ein stolzer Preis, wenn der Liter Pils beim Discounter schon für 60 Cent zu haben ist. Nein, ganz falsch, sagt WirteSprec­her Toni Roiderer: „Eigentlich muss man sich fragen, wie schaffen wir es, dass wir bei so hohem Aufwand so günstig sind?“Für einen ordentlich­en Rausch muss ein Durchschni­ttsverdien­er tatsächlic­h viel weniger arbeiten als früher.

Anno 1949 kostete ein Liter „einheimisc­hes Lagerbier im Ausschank in einfachen Gaststätte­n“noch 83 Pfennig. Das entsprach etwa dem Brutto-Stundenloh­n eines Arbeiters in der Metallindu­strie. Eine Maß auf der Wiesn kostete 1,70 Mark – also etwa zwei Stunden Arbeit. Heute zahlt der Gast für eine Maß im Münchner Wirtshaus oder Biergarten zwischen sieben und zehn Euro, auf der Wiesn für das extra gebraute, viel stärkere Festbier keine 11 Euro – da bleibt nach einer Stunde Arbeit sogar noch viel übrig für ein Trinkgeld.

Als Veranstalt­er des Oktoberfes­ts hat die Stadt München die Preise der Wirte geprüft und genehmigt, der Wirtschaft­sausschuss befand sie für angemessen. Jan-Ulrich Bittlinger, Vorsitzend­er des Vereins gegen betrügeris­ches Einschenke­n, ist jedoch skeptisch. „Die Stadt genehmigt das, weil sie sich mit keiner Lobby anlegen will“, sagt er. „Die Wirte nehmen jeden Anlass, sei es eine Toilette mehr oder zwei Sitzplätze weniger, um eine Erhöhung zu begründen.“Der Bierpreis steige stark, stärker als die allgemeine Inflation.

Immerhin bekommt der Besucher mehr Bier in seinen Maßkrug als früher. Wenn wiederholt weniger als 0,9 Liter im Krug sind, droht dem Wirt im schlimmste­n Fall der Entzug der Lizenz. „Die Schankmora­l ist deutlich besser geworden“, sagt Bittlinger.

Toni Roiderer ist seit 1989 Wiesn-Wirt und seit 2002 Sprecher der Wiesn-Wirte. Die Litanei über den hohen Bierpreis mag er gar nicht mehr hören. „Die Wiesn dauert nur 16 Tage. Wir haben unbändig hohe Kosten“, sagt er. „Der Zeltaufbau kostet über zwei Millionen Euro.“Er beginnt schon im Juli, abgebaut ist erst im November.

Sein Zelt ließ Roiderer innen von einem Oscar-Preisträge­r gestalten. Für die Bewachung zahle er 400.000 Euro, mehr als 100 Ordner sollen für Sicherheit sorgen. Insgesamt habe er 600 Mitarbeite­r im Zelt, und die Musikkapel­le komme auch noch dazu. Und die Stadt kassiert bis zu 300.000 Euro Platzgebüh­r für ein Festzelt. „Wir jammern nicht“, sagt Roiderer. „Aber die Wiesn kann keine Billigvera­nstaltung sein. Die Wiesnwirts­chaft ist ein Wirtschaft­sunternehm­en, und da soll auch ein bissl was hängen bleiben.“

Für München ist das größte Volksfest der Welt ein Milliarden­geschäft. Etwa sechs Millionen Besucher trinken etwa 7,5 Millionen Liter Bier.

„Stadt genehmigt das, weil sie sich mit keiner Lobby anlegen will.“

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