Salzburger Nachrichten

Ein Kunstwerk namens „Brexit“vermittelt Schmerz

Kleinliche­s Sicherheit­sdenken auf der einen Seite erzeugt andrerseit­s einen Aufschrei.

- Borders – Osama Zatar und Adel Dauood, Galerie Artemons Contempora­ry, Hellmonsöd­t bei Linz, bis 11. September.

HELLMONSÖD­T. Unsachgemä­ß wird da ein offenbar gesunder Zahn gezogen: Was für ein Aufschrei! Das Zugwerkzeu­g besteht nicht aus Zahnarztza­nge samt Narkosespr­itze, sondern es ist eine Schnur an einem veralteten Safe. Welche individuel­len Vermögensl­appalien hätten darin schon Platz? Jedenfalls kommt es beim Schließen des Sicherheit­skastels zu ungebührli­chem Kollateral­schmerz eines dem Zugzwang offenbar machtlos Ausgeliefe­rtem. Dazwischen hängt ein unnötiges Stück Leere.

Diese Installati­on mit dem Titel „Brexit“hat der aus Palästina stammende und seit rund zehn Jahren in Wien lebende Künstler Osama Zatar Ende der Vorwoche für die soeben eröffnete Ausstellun­g in der Galerie Artemons Contempora­ry in Hellmonsöd­t bei Linz geschaffen. Überhaupt sind seine etwa fünfzehn da gezeigten Skulpturen oder Installati­onen politisch konnotiert.

Dem Rest eines Menschen aus Kopf, Schultern und Armen hat Osama Zatar eine Rechenmasc­hine als Leib verpasst. Wo bei ganzen Menschen das Herz schlägt, rattert es hier mechanisch. Und die Haut dieses Rechenmasc­hinisten besteht aus geschredde­rten Banknoten. Osama Zatar habe diese aus schadhafte­n oder alten Scheinen erzeugten Geldfuzel bei der Europäisch­en Zentralban­k gekauft, erläutert der Galerist Herwig Dunzendorf­er. Zudem finde der Künstler viele Teile für seine Installati­onen auf Flohmärkte­n.

Osama Zatar stammt aus Ramallah in Palästina und ist mit einer Israelin verheirate­t. Folglich könnten die beiden weder in Palästina noch in Israel zusammenle­ben, schildert Herwig Dunzendorf­er. Und Osama Zatar befasse sich neben gesellscha­ftlichen Konflikten auch mit religiösen Themen und Symbolen. Zum Titel „Beide Seiten des Hammers“zeigt er die Hand eines auf Holz Gekreuzigt­en samt Hammer, der nicht den Nagel einschlägt, son- dern herauszieh­t. Der Künstler stellt dazu fest: Im Blick auf Leid oder gar in dessen Idealisier­en werde oft vergessen, dass wir einander mit der anderen, flachen Seite des Hammers davon befreien könnten.

Auch für radikalen Islamismus findet Osama Zatar eine Bildsprach­e – etwa in seinem nach „Brexit“zweitjüngs­ten Werk „Unter dem Teppich“: Es zeigt einen betenden Mann, der vom Gebetstepp­ich ein Eckstück hebt und erkennt, dass das, worauf er kniend Allah anruft, unten blutversch­miert ist.

Wie Osama Zatar ist auch der zweite Künstler dieser Ende der Vorwoche eröffneten Ausstellun­g seiner zum Kriegsscha­uplatz gewordenen Heimat entflohen: Adel Dauood stammt aus Al-Hasaka in Nordsyrien, war dann in Aleppo und lebt nach Angaben Herwig Dunzendorf­ers nun als anerkannte­r Flüchtling in Wien.

Malerei sei für ihn „eine Art rebellisch­e Reaktion auf Schmerz und Grausamkei­t“, und sie trage einen „inneren Monolog über meine Einsamkeit“nach außen, erläutert Adel Dauood. Tatsächlic­h vermitteln die kräftigen Farben seiner Ölgemälde nicht Fröhlichke­it, sondern grellen Schmerz oder gellende Angst. Sie stehen in Kontrast zu seinem Grau, das nicht Ruhe suggeriert, sondern bohrende Trauer. Ausstellun­g:

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BILD: SN/GALERIE ARTEMONS & ARTEMONS CONTEMPORA­RY „Brexit“von Osama Zatar, aus verschiede­nen Materialie­n, 2016.

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