Ein Kunstwerk namens „Brexit“vermittelt Schmerz
Kleinliches Sicherheitsdenken auf der einen Seite erzeugt andrerseits einen Aufschrei.
HELLMONSÖDT. Unsachgemäß wird da ein offenbar gesunder Zahn gezogen: Was für ein Aufschrei! Das Zugwerkzeug besteht nicht aus Zahnarztzange samt Narkosespritze, sondern es ist eine Schnur an einem veralteten Safe. Welche individuellen Vermögenslappalien hätten darin schon Platz? Jedenfalls kommt es beim Schließen des Sicherheitskastels zu ungebührlichem Kollateralschmerz eines dem Zugzwang offenbar machtlos Ausgeliefertem. Dazwischen hängt ein unnötiges Stück Leere.
Diese Installation mit dem Titel „Brexit“hat der aus Palästina stammende und seit rund zehn Jahren in Wien lebende Künstler Osama Zatar Ende der Vorwoche für die soeben eröffnete Ausstellung in der Galerie Artemons Contemporary in Hellmonsödt bei Linz geschaffen. Überhaupt sind seine etwa fünfzehn da gezeigten Skulpturen oder Installationen politisch konnotiert.
Dem Rest eines Menschen aus Kopf, Schultern und Armen hat Osama Zatar eine Rechenmaschine als Leib verpasst. Wo bei ganzen Menschen das Herz schlägt, rattert es hier mechanisch. Und die Haut dieses Rechenmaschinisten besteht aus geschredderten Banknoten. Osama Zatar habe diese aus schadhaften oder alten Scheinen erzeugten Geldfuzel bei der Europäischen Zentralbank gekauft, erläutert der Galerist Herwig Dunzendorfer. Zudem finde der Künstler viele Teile für seine Installationen auf Flohmärkten.
Osama Zatar stammt aus Ramallah in Palästina und ist mit einer Israelin verheiratet. Folglich könnten die beiden weder in Palästina noch in Israel zusammenleben, schildert Herwig Dunzendorfer. Und Osama Zatar befasse sich neben gesellschaftlichen Konflikten auch mit religiösen Themen und Symbolen. Zum Titel „Beide Seiten des Hammers“zeigt er die Hand eines auf Holz Gekreuzigten samt Hammer, der nicht den Nagel einschlägt, son- dern herauszieht. Der Künstler stellt dazu fest: Im Blick auf Leid oder gar in dessen Idealisieren werde oft vergessen, dass wir einander mit der anderen, flachen Seite des Hammers davon befreien könnten.
Auch für radikalen Islamismus findet Osama Zatar eine Bildsprache – etwa in seinem nach „Brexit“zweitjüngsten Werk „Unter dem Teppich“: Es zeigt einen betenden Mann, der vom Gebetsteppich ein Eckstück hebt und erkennt, dass das, worauf er kniend Allah anruft, unten blutverschmiert ist.
Wie Osama Zatar ist auch der zweite Künstler dieser Ende der Vorwoche eröffneten Ausstellung seiner zum Kriegsschauplatz gewordenen Heimat entflohen: Adel Dauood stammt aus Al-Hasaka in Nordsyrien, war dann in Aleppo und lebt nach Angaben Herwig Dunzendorfers nun als anerkannter Flüchtling in Wien.
Malerei sei für ihn „eine Art rebellische Reaktion auf Schmerz und Grausamkeit“, und sie trage einen „inneren Monolog über meine Einsamkeit“nach außen, erläutert Adel Dauood. Tatsächlich vermitteln die kräftigen Farben seiner Ölgemälde nicht Fröhlichkeit, sondern grellen Schmerz oder gellende Angst. Sie stehen in Kontrast zu seinem Grau, das nicht Ruhe suggeriert, sondern bohrende Trauer. Ausstellung: