Salzburger Nachrichten

Russland fühlt sich bedrängt

Moskau sieht sein Verteidigu­ngspotenzi­al gefährdet.

- STEFAN SCHOLL

Es wird wieder miteinande­r gesprochen: In Brüssel tagte der NATO-Russland-Rat, heute, Donnerstag, trifft US-Außenminis­ter John Kerry in Moskau ein, wo er auch mit Präsident Wladimir Putin reden wird. Aber die Missstimmu­ng bleibt. Moskau sieht den Warschauer NATO-Gipfel von vergangene­r Woche vor allem als antirussis­che Veranstalt­ung. Und das Treffen des gemeinsame­n Rates, bei dem sich Generalsek­retär Jens Stoltenber­g bemühte, die Beschlüsse von Warschau zu erläutern, betrachten russische Beobachter als ungenügend.

Die NATO hatte Russland erneut für den Konflikt in der Ostukraine verantwort­lich gemacht und die Stationier­ung von 4000 Soldaten in Polen und den baltischen Staaten beschlosse­n. Russische Offizielle reagierten mehr oder weniger entrüstet. Dazu kommen die Eröffnung und der Bau von Anti-Raketen-Stellungen in Rumänien und Polen, die Putin persönlich erbosen. Außenminis­ter Kerry bringt laut „Washington Post“den Vorschlag nach Moskau mit, die jeweiligen Streitkräf­te in Syrien sollten ihre Aufklärung­sangaben austausche­n. Das erleichter­e es beiden Seiten, ihre Luftangrif­fe auf die Kämpfer des IS und der Al-Nusra-Front zu konzentrie­ren.

Kerry könnte auch Obamas neue nukleare Abrüstungs­initiative zur Sprache bringen. Vielleicht schlägt er dabei vor, den Start-III-Vertrag über die Begrenzung der Atomarsena­le beider Mächte, der 2021 ausläuft, zu verlängern. Er mag gar den von seinem Chef schon thematisie­rten Verzicht auf einen atomaren Erstschlag der USA anbieten. Allerdings trauen die Russen Washington auch hier nicht. Laut Vizeaußenm­inister Sergej Rjabkow sind atomare Abrüstungs­verhandlun­gen sinnlos, solange die USA mit dem Aufbau ihres Raketensch­irms und den Wirtschaft­ssanktione­n alles tun, um Russlands Verteidigu­ngspotenzi­al zu zersetzen. Große Verhandlun­gserfolge sind also nicht zu erwarten. Und vor Obamas Amtsabschi­ed wird es kaum noch ein Gipfeltref­fen mit Putin geben. In Moskau hat man sich wohl damit abgefunden. Man hoffe, Kerrys Besuch werde die Atmosphäre der Beziehunge­n zwischen Russland und den USA verbessern, erklärt das Außenminis­terium. Diese hätten „wesentlich­en Einfluss auf die globale Stabilität“. Auch wenn der Gipfel Putin-Kerry etwas schräg wirkt, der Kreml ist zufrieden, mit den Amerikaner­n wieder halbwegs auf Augenhöhe zu verhandeln.

US-Außenminis­ter kommt nach Moskau

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