Russland fühlt sich bedrängt
Moskau sieht sein Verteidigungspotenzial gefährdet.
Es wird wieder miteinander gesprochen: In Brüssel tagte der NATO-Russland-Rat, heute, Donnerstag, trifft US-Außenminister John Kerry in Moskau ein, wo er auch mit Präsident Wladimir Putin reden wird. Aber die Missstimmung bleibt. Moskau sieht den Warschauer NATO-Gipfel von vergangener Woche vor allem als antirussische Veranstaltung. Und das Treffen des gemeinsamen Rates, bei dem sich Generalsekretär Jens Stoltenberg bemühte, die Beschlüsse von Warschau zu erläutern, betrachten russische Beobachter als ungenügend.
Die NATO hatte Russland erneut für den Konflikt in der Ostukraine verantwortlich gemacht und die Stationierung von 4000 Soldaten in Polen und den baltischen Staaten beschlossen. Russische Offizielle reagierten mehr oder weniger entrüstet. Dazu kommen die Eröffnung und der Bau von Anti-Raketen-Stellungen in Rumänien und Polen, die Putin persönlich erbosen. Außenminister Kerry bringt laut „Washington Post“den Vorschlag nach Moskau mit, die jeweiligen Streitkräfte in Syrien sollten ihre Aufklärungsangaben austauschen. Das erleichtere es beiden Seiten, ihre Luftangriffe auf die Kämpfer des IS und der Al-Nusra-Front zu konzentrieren.
Kerry könnte auch Obamas neue nukleare Abrüstungsinitiative zur Sprache bringen. Vielleicht schlägt er dabei vor, den Start-III-Vertrag über die Begrenzung der Atomarsenale beider Mächte, der 2021 ausläuft, zu verlängern. Er mag gar den von seinem Chef schon thematisierten Verzicht auf einen atomaren Erstschlag der USA anbieten. Allerdings trauen die Russen Washington auch hier nicht. Laut Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sind atomare Abrüstungsverhandlungen sinnlos, solange die USA mit dem Aufbau ihres Raketenschirms und den Wirtschaftssanktionen alles tun, um Russlands Verteidigungspotenzial zu zersetzen. Große Verhandlungserfolge sind also nicht zu erwarten. Und vor Obamas Amtsabschied wird es kaum noch ein Gipfeltreffen mit Putin geben. In Moskau hat man sich wohl damit abgefunden. Man hoffe, Kerrys Besuch werde die Atmosphäre der Beziehungen zwischen Russland und den USA verbessern, erklärt das Außenministerium. Diese hätten „wesentlichen Einfluss auf die globale Stabilität“. Auch wenn der Gipfel Putin-Kerry etwas schräg wirkt, der Kreml ist zufrieden, mit den Amerikanern wieder halbwegs auf Augenhöhe zu verhandeln.
US-Außenminister kommt nach Moskau