Wie man Tomatengranaten bastelt
Heute zeigt uns der italienische Sternekoch Mario Gamba, wie man aus einfachen Zutaten mit einer zündenden Idee Geschmacksexplosionen erzielt. Er meint, man würde nach solchen Erlebnissen wieder mehr denken und weniger essen.
MÜNCHEN. Wenn Mario Gamba in seiner Küche im Ristorante Acquarello steht und sich ganz langsam mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger am Kinn zu kratzen beginnt – dann passiert immer gleich was. Und da schlägt er auch schon ein: der Geistesblitz. Man erkennt das daran, wenn er seine Augenbrauen schlagartig hochzieht.
Heute möchte Ihnen Mario Gamba zeigen, mit welchen einfachen Maßnahmen eine gewöhnliche geeiste Tomatensuppe – auch als Gazpacho bekannt – raffiniert verfeinert werden kann. Sie dürfen seinen Ratschlägen ruhig trauen. Erst kürzlich wurde er vom italienischen Landwirtschaftsministerium zum besten italienischen Koch außerhalb Italiens gekürt. „Wir machen eine Provokation“, sagt er jetzt mit weihevoller Stimme. Was er provozieren will? Die Tatsache, dass die Menschen heute viel zu unüberlegt Essen in sich hineinstopfen. So etwas geschehe eben, wenn Langeweile beim Essen einkehre. Und langweilig wird es, wenn man seinen Geistesblitzen keinen Wert mehr beimisst.
„Man muss flexibel bleiben.“Diese Weisheit klingt nach einem buddhistischen Ratgeber. Er hat sie aber von seiner Mama Clara. Sie ist der Fels, auf dem er seine kulinarische Kirche gebaut hat. Seine Mama Clara habe ihm auch beigebracht, dass es nie ein endgültiges Rezept gebe. Einmal wurde Mario Gamba von einem Gourmetjournalisten um ein exaktes Rezept angefleht. Gamba antwortete, dass jedes Rezept eine rote Ampel in Napoli sei. Also nur eine Empfehlung. Und dass jeder selbst schauen müsse, wie er schlussendlich über die Kreuzung komme.
Gamba nimmt jetzt ein paar Tomaten, halbiert sie und beginnt die Hälften über einem groben Sieb in eine Porzellanschüssel zu reiben. Ein paar Minuten später kann man in zweifacher Hinsicht sagen: Schon ist es passiert. „Handarbeit ist wichtig“, sagt er. „Ein Werkzeug oder gar eine Maschine schaffen dieses Ergebnis nie.“
Ursprünglich brachten die Mauren das Gazpacho nach Andalusien und Portugal. Sie waren so freundlich, sich bei ihren Eroberungszügen in die Töpfe schauen zu lassen. Und da war nicht selten ungekochte Gemüsesuppe drin. Dabei handelt es sich um eine Suppe aus Gurken, Brot, Knoblauch, Olivenöl, Essig, Salz und Wasser. Die Zutaten wurden in einem Mörser zerkleinert. Fertig.
Später brachte uns Christoph Kolumbus die Tomaten aus Amerika mit. Heute sind die klassischen Zutaten eines Gazpacho also Tomaten, Paprika, Salatgurken, Knoblauch, Olivenöl, Essig, Salz und Wasser. Das Gemüse und das Brot werden unter Zugabe von Wasser und Olivenöl püriert, und anschließend mit Essig, Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Das geht schnell.
Auch Gamba ist mit seinen passierten Tomaten recht zufrieden. Jetzt verfeinert er die Suppe mit Estragonessig, Salz, Zucker, Pfeffer, Olivenöl, Zitronensaft und einem Schuss Gin. Dann macht er – weil Mozzarella und Tomaten gut harmonieren – eine Mozzarellacreme (wie das geht, können Sie im Kasten unten nachlesen). Und jetzt kommt der Geistesblitz, das Ei des Kolumbus – oder auch die Melone des Gamba: Er sticht aus einer Wassermelone mit einem Parisienne-Ausstecher ein paar rote Kugeln aus. Diese haben etwa die gleiche Größe wie die Kirschtomaten. Und das süßsaure Spiel auf dem Teller macht einfach nur Freude, schmeckt himmlisch und mahnt nicht zuletzt zur Achtsamkeit.
Und zum Schluss provoziert der weltweit gefeierte Sternekoch auch noch mit Bescheidenheit. Er sagt: „Wer zu den Sternen will, der landet – wenn er es schafft – auch nur auf Staub.“Er ist schon ein Teufelskerl. Sogar ein Rezept gegen Größenwahn hat er.