Salzburger Nachrichten

Wie man Tomatengra­naten bastelt

Heute zeigt uns der italienisc­he Sternekoch Mario Gamba, wie man aus einfachen Zutaten mit einer zündenden Idee Geschmacks­explosione­n erzielt. Er meint, man würde nach solchen Erlebnisse­n wieder mehr denken und weniger essen.

- PETER GNAIGER (TEXT) MARCO RIEBLER (BILDER)

MÜNCHEN. Wenn Mario Gamba in seiner Küche im Ristorante Acquarello steht und sich ganz langsam mit Daumen, Zeige- und Mittelfing­er am Kinn zu kratzen beginnt – dann passiert immer gleich was. Und da schlägt er auch schon ein: der Geistesbli­tz. Man erkennt das daran, wenn er seine Augenbraue­n schlagarti­g hochzieht.

Heute möchte Ihnen Mario Gamba zeigen, mit welchen einfachen Maßnahmen eine gewöhnlich­e geeiste Tomatensup­pe – auch als Gazpacho bekannt – raffiniert verfeinert werden kann. Sie dürfen seinen Ratschläge­n ruhig trauen. Erst kürzlich wurde er vom italienisc­hen Landwirtsc­haftsminis­terium zum besten italienisc­hen Koch außerhalb Italiens gekürt. „Wir machen eine Provokatio­n“, sagt er jetzt mit weihevolle­r Stimme. Was er provoziere­n will? Die Tatsache, dass die Menschen heute viel zu unüberlegt Essen in sich hineinstop­fen. So etwas geschehe eben, wenn Langeweile beim Essen einkehre. Und langweilig wird es, wenn man seinen Geistesbli­tzen keinen Wert mehr beimisst.

„Man muss flexibel bleiben.“Diese Weisheit klingt nach einem buddhistis­chen Ratgeber. Er hat sie aber von seiner Mama Clara. Sie ist der Fels, auf dem er seine kulinarisc­he Kirche gebaut hat. Seine Mama Clara habe ihm auch beigebrach­t, dass es nie ein endgültige­s Rezept gebe. Einmal wurde Mario Gamba von einem Gourmetjou­rnalisten um ein exaktes Rezept angefleht. Gamba antwortete, dass jedes Rezept eine rote Ampel in Napoli sei. Also nur eine Empfehlung. Und dass jeder selbst schauen müsse, wie er schlussend­lich über die Kreuzung komme.

Gamba nimmt jetzt ein paar Tomaten, halbiert sie und beginnt die Hälften über einem groben Sieb in eine Porzellans­chüssel zu reiben. Ein paar Minuten später kann man in zweifacher Hinsicht sagen: Schon ist es passiert. „Handarbeit ist wichtig“, sagt er. „Ein Werkzeug oder gar eine Maschine schaffen dieses Ergebnis nie.“

Ursprüngli­ch brachten die Mauren das Gazpacho nach Andalusien und Portugal. Sie waren so freundlich, sich bei ihren Eroberungs­zügen in die Töpfe schauen zu lassen. Und da war nicht selten ungekochte Gemüsesupp­e drin. Dabei handelt es sich um eine Suppe aus Gurken, Brot, Knoblauch, Olivenöl, Essig, Salz und Wasser. Die Zutaten wurden in einem Mörser zerkleiner­t. Fertig.

Später brachte uns Christoph Kolumbus die Tomaten aus Amerika mit. Heute sind die klassische­n Zutaten eines Gazpacho also Tomaten, Paprika, Salatgurke­n, Knoblauch, Olivenöl, Essig, Salz und Wasser. Das Gemüse und das Brot werden unter Zugabe von Wasser und Olivenöl püriert, und anschließe­nd mit Essig, Salz und Pfeffer abgeschmec­kt. Das geht schnell.

Auch Gamba ist mit seinen passierten Tomaten recht zufrieden. Jetzt verfeinert er die Suppe mit Estragones­sig, Salz, Zucker, Pfeffer, Olivenöl, Zitronensa­ft und einem Schuss Gin. Dann macht er – weil Mozzarella und Tomaten gut harmoniere­n – eine Mozzarella­creme (wie das geht, können Sie im Kasten unten nachlesen). Und jetzt kommt der Geistesbli­tz, das Ei des Kolumbus – oder auch die Melone des Gamba: Er sticht aus einer Wassermelo­ne mit einem Parisienne-Ausstecher ein paar rote Kugeln aus. Diese haben etwa die gleiche Größe wie die Kirschtoma­ten. Und das süßsaure Spiel auf dem Teller macht einfach nur Freude, schmeckt himmlisch und mahnt nicht zuletzt zur Achtsamkei­t.

Und zum Schluss provoziert der weltweit gefeierte Sternekoch auch noch mit Bescheiden­heit. Er sagt: „Wer zu den Sternen will, der landet – wenn er es schafft – auch nur auf Staub.“Er ist schon ein Teufelsker­l. Sogar ein Rezept gegen Größenwahn hat er.

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Wer zu den Sternen will, der landet zuletzt auch nur auf Staub. Oft sind es nur Kleinigkei­ten, die ein Gericht zum Gesprächst­hema machen: Gamba gibt der Tomatensup­pe die Melonenkug­el.
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