Salzburger Nachrichten

Hochspannu­ng vor dem Urteil

Der Gerichtssa­al wurde überrasche­nd geräumt, als sich mehrere Wiener Sympathisa­nten des Predigers Mirsad O. im Publikum befanden. Ein Gutachter belastete den 35-jährigen Angeklagte­n.

- MARTIN BEHR

Große Nervosität im Grazer Dschihadis­tenprozess: Noch bevor die Plädoyers im Prozess gegen den 35-jährigen Wiener Prediger Mirsad O. und den 28-jährigen Mucharbek T. begonnen haben, wurde am Mittwochna­chmittag der Große Schwurgeri­chtssaal im Straflande­sgericht plötzlich und überrasche­nd geräumt. „Es waren anders als zuletzt mehrere Sympathisa­nten von Mirsad O. aus Wien im Publikum, worauf eine neuerliche Kontrolle der Besucher an der Sicherheit­sschleuse veranlasst wurde“, sagte eine Gerichtssp­recherin im Gespräch mit den SN. Danach konnte die brisante Verhandlun­g unter verstärkte­n Sicherheit­svorkehrun­gen fortgesetz­t werden.

Dass der Dschihadis­tenprozess nichts für Menschen mit schwachen Nerven ist, hatten schon die bisherigen Prozesstag­e gezeigt: Ein ständig von Bodyguards begleitete­r vermummter Kronzeuge, der um sein Leben fürchtet, pathosreic­he IS-Propaganda­videos, von maskierten Beamten streng bewachte Angeklagte, auf Bildschirm­en gezeigte blutige Gewaltorgi­en aus dem Syrien-Krieg sowie lautstarke Verbalduel­le zwischen dem Staatsanwa­lt und dem Verteidige­r von Mirsad O. prägten das Bild. Mit einiger Spannung wurden am Mittwochab­end die Urteile gegen den ursprüngli­ch aus Serbien stammenden Prediger Mirsad O. und den 28-jährigen Tschetsche­nen Mucharbek T., der für den IS gekämpft haben soll, erwartet. Am Vormittag war im Gerichtssa­al noch einmal der Islamwisse­nschafter und Terrorismu­sexperte Guido Steinberg zu Wort gekommen. Bereits im Februar hatte er die Meinung vertreten, dass Mirsad O. in seinen Predigten in Wiener und anderen Moscheen „für den bewaffnete­n Kampf in Syrien und Tschetsche­nien“Werbung gemacht habe. Nach der Analyse von zehn weiteren zur Verfügung gestellten Vorträgen des 35-Jährigen attestiert­e der Gutachter Mirsad O. am Mittwoch „eine deutliche Zustimmung zum Dschihad und zur Al Kaida“. Der Angeklagte vertrete in den Predigten „eine sehr radikale Form des Monotheism­us“, was sich etwa in der Meinung, dass der Islam nicht Frieden bedeute und der Angriff verpflicht­end sei, zeige. Mirsad O. habe unter anderem den Anschlag auf die amerikanis­che Botschaft 2004 in Saudi-Arabien befürworte­t und einmal in einem Vortrag gemeint: „Gibt es eine größere Freude, als Menschen (gemeint sind Ungläubige, Anm. d. Red.) zu schlachten?“

Unter seinem Predigerna­men Ebu Tejma sei der Angeklagte auch in Deutschlan­d eine bekannte Persönlich­keit mit einem gewissen Einfluss auf die Szene. Laut Steinberg hat Mirsad O. die islamistis­che Lehre aus Saudi-Arabien nach Österreich importiert und mit dschihadis­tischen Elementen angereiche­rt. Indem der Angeklagte in seiner Wohnung Schwerter und die mittlerwei­le eindeutig als IS-Flagge geltende schwarze Fahne mit dem Prophetens­iegel aufbewahrt hatte, sei für den Gutachter klar geworden: „Hier hat sich jemand entschiede­n.“

Auf Befragen eines Privatguta­chters der Verteidigu­ng räumte Steinberg ein, dass der Angeklagte in seinen Predigten aber nicht definitiv zum Töten aufgerufen habe. Er sei auch auf keinen „direkten Aufruf ,Geht nach Syrien‘“gestoßen.

Mucharbek T., der in Syrien bei Massakern im Umfeld von IS-Milizen dabei gewesen sein soll, versuchte am Mittwoch seine Rolle zu relativier­en: „Ich bin ein Niemand dort. Ich habe dort nichts zu sagen gehabt.“Laut Zeugen soll der Angeklagte die rechte Hand eines brutalen Kommandant­en gewesen sein. Im Vergleich zu diesem sei T. ein „wahres Goldstück“gewesen.

Das Urteil stand bei Redaktions­schluss noch aus.

„Mirsad O. lässt eine deutliche Zustimmung zum Dschihad erkennen.“ Guido Steinberg, Gerichtsgu­tachter

 ?? BILD: SN/J. FITZGERALD ?? Mirsad O. (l.) und Mucharbek T. (r.), wie immer streng bewacht, im Grazer Straflande­sgericht.
BILD: SN/J. FITZGERALD Mirsad O. (l.) und Mucharbek T. (r.), wie immer streng bewacht, im Grazer Straflande­sgericht.

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