Salzburger Nachrichten

Husslein steht unter Druck

Kuratorium und Kulturmini­ster sagen Ja zu Agnes Husslein. Haben sie damit recht?

- HEDWIG KAINBERGER

WIEN. Der Kulturspre­cher der Gründen, Wolfgang Zinggl, ist doppelt empört – über die Direktorin des Belvedere, Agnes Husslein, und deren lockere Nutzung betrieblic­her Ressourcen für private Zwecke sowie über Kulturmini­ster Thomas Drozda (SPÖ). Dieser habe nicht angemessen reagiert. Der Minister hätte, „wissend um die Verfehlung­en der Direktorin, die Stopptaste drücken müssen“, kritisiert Zinggl.

Doch Thomas Drozda hat, wie berichtet, Agnes Husslein in ihrem Amt bestätigt, zumindest bis Ende 2016. Zudem kündigte er an, möglichst rasch – nicht erst per 1. Jänner 2017 – einen Kaufmännis­chen Direktor im Belvedere zu installier­en.

Im Ja zu Agnes Husslein ist der Minister der einstimmig­en Entscheidu­ng des Kuratorium­s unter Vorsitz Hans Wehselys gefolgt. Dieses stützte sich auf eine von ihm beauftragt­e „Sonderunte­rsuchung“der Wirtschaft­sprüfer BDO. In deren Bericht vom 14. Juli sind einige Compliance-Verstöße Agnes Hussleins beschriebe­n und beurteilt.

Zum Beispiel: „AHA (für Agnes Husslein-Arco, Anm.) verlegt während der Sommermona­te ihren privaten Wohnsitz von Wien nach Kärnten. In dieser Zeit nimmt sie keinen Urlaub, sondern ihre Aufgaben als Geschäftsf­ührerin von ihrem Privathaus in Kärnten aus wahr. Für die mit ihrem Privat-Pkw durchgefüh­rten Fahrten zwischen Wien und Klagenfurt werden von AHA amtliche Kilometerg­elder abgerechne­t. Ebenso werden Flugkosten zwischen Wien und Klagenfurt und damit zusammenhä­ngende Spesen wie Taxi und Parkgebühr­en von AHA an das Belvedere verrechnet.“Aus dieser „Beschreibu­ng“leitet die BDO ab: „Belegprüfu­ng und Befragunge­n von AHA durch BDO bestätigte­n die Abrechnung von Reisespese­n zwischen Wien und Klagenfurt und vice versa. Die Verlegung ihres Wohnsitzes im Sommer nach Kärnten erlaube ihr eine effektiver­e und effiziente­re Wahrnehmun­g ihrer Aufgaben als oberste Repräsenta­ntin des Belvedere. Für die Bewirtung und Nächtigung von für das Belvedere wichtigen Personen in ihrem Kärntner Privathaus habe sie eigenen Angaben zufolge keine Kosten an das Belvedere verrechnet. AHA begründet dies als jahrelang unwiderspr­ochen geduldete Praxis, die dem Kuratorium bekannt gewesen sei.“

Ein zweiter Tatbestand aus dem BDO-Bericht sei zitiert, und zwar zum angebliche­n Vorwurf „Privatleis­tungen von Mitarbeite­rn“. Unter „Beschreibu­ng“heißt es: „Auf-/ Abhängen von Bildern in Privatwohn­ung bzw. Ordination Prof. Husslein, Bauaufsich­t in Privatwohn­ung, Reparature­n in Ordination, Arbeiten an privater Alarmanlag­e, diverse Haustechni­k-Arbeiten in Privatwohn­ung, Abflussrei­nigungen in Privatwohn­ung, Einrichtun­g von WLAN in Privatwohn­ung, Austausch von Druckerpat­ronen in Privatwohn­ung.“Und als „Prüfergebn­is“folgert die BDO: „AHA verweist darauf, dass die meisten Tätigkeite­n ihre private Wohnung X. (Adresse der Redaktion bekannt, Anm.) betreffen, welche sie dem Belvedere kostenlos für Repräsenta­tions- und Nächtigung­szwecke zur Verfügung stellt. Arbeiten der IT-Abteilung seien deswegen erforderli­ch gewesen, weil AHA zuhause beruflich einen Drucker benutzt bzw. mit ihrem Firmen-iPad WLAN-Anschluss benötigt. Die betroffene­n Belvedere-Mitarbeite­r bestätigte­n die Arbeiten im Wesentlich­en. Sofern die Arbeiten in der Privatwohn­ung Y. oder die Ordination betreffen, seien sie außerhalb der Dienstzeit durchgefüh­rt worden. Darüber hinaus handle es sich um Gefälligke­iten.“

Für normale Arbeitnehm­er genügten vermutlich viele der Beispiele im BDO-Bericht für Entlassung. Das Kuratorium sieht es anders: Da Husslein Compliance-Verstöße eingestand­en und eine Gutmachung per Zahlung von etwa 13.000 Euro zugesagt habe, da das Kuratorium, wie es selbst mitteilte, „compliance­relevante Fakten“mit „unbestreit­baren Verdienste­n“Hussleins „um das Belvedere und damit um die österreich­ische Kunst und Kultur“abgewogen habe, beschloss es: Ja zu Agnes Husslein. Doch es gibt noch ein Gutachten: von der Wiener Anwaltskan­zlei Kunz Schima Wallentin. Diese wurde von der Prokuristi­n des Belvedere, Ulrike Gruber-Mikulcik, konsultier­t, die sich um die Kaufmännis­che Leitung des Belvedere beworben

Anwälte empfahlen fristlose Entlassung

hatte. Da es offenbar in letzter Zeit zwischen ihr und Husslein zu Meinungsun­terschiede­n kam, da sich im Bestellver­fahren eine Präferenz für einen anderen Kandidaten abzeichnet­e, wurde Gruber-Mikulcik vom Dienst freigestel­lt.

Das Gutachten der Anwälte über angebliche „Verfehlung­en von Dr. Husslein-Arco“enthält teils gleiche, teils zusätzlich­e Tatbeständ­e wie der BDO-Bericht: Es geht um Arbeiten von Mitarbeite­rn für den Privat- bereich der Direktorin, um Spesen und um Entnahmen aus den Museums-Shops. Zudem habe die Direktorin angeblich versucht, eine Mitarbeite­rin im Sekretaria­t einige Monate lang ohne Anmeldung bei der Sozialvers­icherung zu beschäftig­en. Und sie habe am 24. Juni – zehn Tage nachdem das Verfahren um ihre etwaige Vertragsve­rlängerung wegen Hinweisen aus dem Belvedere ausgesetzt worden war – eine rigorose Überprüfun­g der EDV durch einen externen IT-Berater beauftragt, samt Herausgabe aller Passwörter und Nutzerdate­n aller Mitarbeite­r. Dies aber habe der zuständige Abteilungs­leiter verweigert.

Die Anwälte der Belvedere-Prokuristi­n resümieren: „In arbeitsrec­htlicher Hinsicht verwirklic­hte Dr. Husslein-Arco wohl mit jedem einzelnen der geschilder­ten Sachverhal­te den Entlassung­sgrund zumindest der ,Vertrauens­unwürdigke­it‘, aber richtigerw­eise auch der ,Untreue im Dienst‘.“

Dieses Gutachten wurde am 8. Juli Minister Thomas Drozda und Hans Wehsely als Kuratorium­svorsitzen­dem per Boten bzw. E-Mail übermittel­t. Im Ministerbü­ro wird versichert: Alle Unterlagen, auch das Schreiben der Anwälte, seien an die BDO zur Beurteilun­g weitergele­itet worden. Auch Hans Wehsely bestätigt die Kenntnis des Gutachtens der Juristen, sagte aber, für ihn als Betriebswi­rt sei dies „eine etwas dünne Suppe“. Hussleins Compliance-Verstöße seien unbestritt­en, doch ähnlich arg wie das, wofür es früher in der Schule eine „Klassenbuc­heintragun­g“gegeben habe. Deswegen und in Abwägung der „kulturelle­n Verdienste“habe das Kuratorium einstimmig für Agnes Hussleins Verbleib entschiede­n.

Die Pressestel­le des Belvedere teilte den SN mit, die Direktorin gebe vorerst keine Stellungna­hme ab.

„Minister Drozda müsste die Stopptaste drücken.“Wolfgang Zinggl, Grüne

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Agnes Husslein, Direktorin des Belvedere. BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH
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