Salzburger Nachrichten

Unternehme­nsberater lenkt Blick auf Afrika

Was viele überrascht: Afrikas Wirtschaft wächst viel stärker als jene im Westen. Ein Salzburger hat für Investoren ein dichtes Netz geknüpft.

- GERALD STOIBER

SALZBURG. Afrika ist wohl jener Kontinent der Erde, auf dem die Diskrepanz zwischen der medialen Darstellun­g und der Realität am größten ist. Meist wird bloß über bewaffnete Konflikte, Naturkatas­trophen oder Seuchen berichtet. Das stört den Salzburger Unternehme­r Martin Sturmer schon seit Langem. „Von den teils beachtlich­en Fortschrit­ten in Afrika bekommen wir so gut wie gar nichts mit“, erklärt der studierte Afrikanist.

Zwar ist auch in Afrika das Wachstum zurückgega­ngen, für heuer wird aber ein Plus von 3,7 Prozent erwartet und nächstes Jahr sogar 4,7 Prozent, wie aus dem jüngsten Wirtschaft­sausblick Afrika vom Mai hervorgeht. Diese Analyse erstellen die Organisati­on der westlichen Industriel­änder (OECD) und das Entwicklun­gsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gemeinsam. Nach Ostasien bleibe Afrika die Region mit den weltweit höchsten Wachstumsr­aten, wird betont. Österreich exportiert­e im Vorjahr Waren und Dienstleis­tungen im Wert von 1,72 Mrd. Euro nach Afrika – ein neuer Rekord. Knapp ein Drittel davon ging nach Südafrika, gefolgt von Algerien und Ägypten mit je rund 240 Mill. Euro. Auch Marokko und Nigeria kauften jeweils um über 100 Mill. Euro in Österreich ein, der Rest verteilt sich.

Freilich gebe es große Unterschie­de zwischen einzelnen Staaten Afrikas. „Man muss es länderweis­e sehr genau analysiere­n“, sagt Sturmer. „Den stärksten Boom gibt es in Ostafrika. In Kenia und Tansania wächst die Wirtschaft um jeweils rund sechs Prozent pro Jahr“, erklärt der 44-Jährige.

Sturmer hat seinen vor neun Jahren gegründete­n Informatio­nsdienst afrika.info nun um eine Un- ternehmens­beratung erweitert. Zuvor hatte er eine Web-Content-Firma in Wien und dabei viel Interneter­fahrung gesammelt. Für internatio­nale Auftraggeb­er lotet er nun von seinem Büro im Salzburger Techno-Z aus, welche Marktchanc­en für Unternehme­n in Afrika bestehen. Auch heimischen Betrieben möchte er die Chancen Afrikas näherbring­en. „Ich unterstütz­e die Firmen mit maßgeschne­iderter Beratung. Denn nur die besten Informatio­nen sorgen für ,biashara nzuri‘, wie Unternehme­r in Ostafrika zu ,guten Geschäften‘ auf Swahili sagen.“Sturmer kann wegen seiner jahrzehnte­langen Afrika-Erfahrung auf ein Netzwerk von rund 150 Wirtschaft­sfachleute­n und Reportern zurückgrei­fen. Er spricht auch die Bantu-Sprache Swahili, die verbreitet­ste Sprache in Ostafrika.

„Internet und Mobiltelef­onie waren wichtige Faktoren für die Entwicklun­g in Afrika“, betont Sturmer. Es seien angepasste Technologi­en entwickelt worden, es gebe auch eine lebhafte Start-up-Szene. Als Beispiel nennt er das kenianisch­e Unternehme­n M-Kopa, das bezahlbare­n Solarstrom in mehr als 330.000 Haushalte in Kenia, Tansania und Uganda gebracht habe. „Auf dem Land gibt es in Afrika vielfach kaum Strom.“Bezahlt werde über das Handy-Bezahlsyst­em MPesa, das ein klassische­s Bankkonto ersetzt und allein in Kenia mehr als 19 Mill. Kunden zählt.

Im Mittelpunk­t stehen bei Sturmer die großen Ballungsze­ntren mit Megacitys wie Lagos, der größten Stadt des bevölkerun­gsreichste­n Landes Afrikas, Nigeria, die allein rund 20 Mill. Menschen zählt. Auch in Kairo (Ägypten) und Kinshasa (Kongo) leben jeweils mehr als zehn Millionen Leute. Internatio­nale Institutio­nen wie die OECD betonen, dass der Verlauf der Urbanisier­ung in Afrika entscheide­nd sein werde für das Wachstum und die Entwicklun­g des ganzen Kontinents. In den vergangene­n 20 Jahren hat sich die städtische Bevölkerun­g in Afrika auf mehr als 470 Millionen verdoppelt. Im Jahr 2050 werden bereits zwei von drei Afrikanern in Städten leben. Wegen der höheren Kaufkraft in den Ballungsrä­umen steigt dort die Nachfrage nach Konsumgüte­rn, daher sind diese Zentren vor allem für Handelsunt­ernehmen interessan­t.

Der gebürtige Oberösterr­eicher Martin Sturmer hatte Afrika nicht von klein auf im Blut. Erst nach seinem ersten Studienjah­r – Afrikanist­ik in Wien – sei er erstmals hingefahre­n, das war 1993. In der größten tansanisch­en Stadt Daressalam (der Name bedeutet auf Arabisch: Hafen des Friedens) vollendete Sturmer dann auch sein Studium.

„Das Internet treibt Afrikas Entwicklun­g.“

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BILD: SN/RICCARDO NIELS MAYER - FOTOLIA Bei uns unbeachtet: Afrika hat starkes Wachstum.
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Martin Sturmer, Afrika-Info

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